Weniger als die Hälfte aus dem Inland

Gut zwei Millionen Putenküken werden jedes Jahr in Österreich eingestallt. Die Menge an Fleisch, die später daraus gewonnen wird, deckt den Bedarf der heimischen Konsumenten bei Weitem nicht. Zu 42 Prozent versorgte sich Österreich im Jahr 2019 selbst mit Putenfleisch. Im Vergleich dazu betrug beim Hühnerfleisch der Selbstversorgungsgrad 2019 83 Prozent. Vor allem im Außer-Haus-Konsum landet kaum heimisches Putenfleisch am Teller. Geht es rein um den Preis, fällt die Wahl auf ausländische Ware.
Die niedrige Selbstversorgung sei “schade für den Standort Österreich, weil wir könnten es produzieren”, fasst Stefan Weber, Geschäftsführer des Anerkannten Geflügelgesundheitsdienstes zusammen. “Eine Verdoppelung der Betriebe wäre kein Problem. Denken Sie nur, wieviel Tausend Rinder- und Schweinebetriebe wir haben.” Die Futtermittel sind laut Weber ausreichend vorhanden, selbst Soja gebe es mittlerweile für die Putenmast ausreichend aus Europa und in gentechnikfreier Qualität. Eine Hürde für Stallneubauten sei die Baugenehmigung. Zu viele Bedenken von Anrainern gebe es. Weber sagt: “Man befürchtet vor allem eine Geruchsbelästigung. Wenn sich jemand (ein besorgter Anrainer, Anm.) einen Stall ansehen würde, würde er merken, dass man kaum etwas wahrnimmt.”
Auch den Wettbewerbsnachteil spricht Weber an: “Wir haben sehr hohe Standards und können daher mit Preisen, die am anonymen Markt geboten werden, nicht konkurrieren.” Eine österreichische Besonderheit ist, dass die Besatzdichte in Putenställen geregelt ist. Trotz aller Hürden wünscht sich die Geflügelgenossenschaft Österreich neue Mäster, um die Produktionsmenge wieder an die Nachfrage anzupassen.
Eine Brüterei und ein Schlachthof
Wie in der Hühnerfleischproduktion teilen sich spezialisierte Unternehmen die Aufgaben entlang des Weges der Mastpute. Dieser Weg führt nach Österreich, wenn das Ei, aus dem später die Pute schlüpft, bereits gelegt ist. Einen Elterntierbetrieb gibt es in Österreich nicht, alle Bruteier kommen von Elterntierherden in Deutschland, Frankreich, Ungarn und teilweise in Kanada. Eine Brüterei mit zwei Standorten in Oberösterreich versorgt den österreichischen Markt mit Küken. Das Unternehmen hat sich in Mitteleuropa etabliert und liefert einen Großteil der Ware an Mastbetriebe im Ausland, weil es in Österreich gar nicht so viele Mastbetriebe gibt, wie die Brüterei beliefern könnte. Hauptabnehmer für schlachtreife österreichische Puten ist der einzige große Schlachthof Glanegg in Kärnten. Er plant die Ein- und Ausstallungstermine der Bauern so, dass der Schlachthof gleichmäßig und an die Nachfrage angepasst ausgelastet ist. Ein weiterer Betrieb, der österreichische Puten verarbeitet, schlachtet in Ampfing in Bayern.
Mehr als die Hälfte der Bauern mit über 5000 Puten
2019 gibt es in Österreich 121 Mastbetriebe, 35 davon produzieren Bio-Putenfleisch. Die Anzahl der konventionellen Betriebe sinkt, Bio-Betriebe werden mehr. Gut zwei Millionen Putenküken wurden insgesamt eingestallt. Um von der Putenmast leben zu können, braucht man mehrere Tausend Tiere. 75 Putenbauern, also mehr als die Hälfte, haben laut der QGV-Statistik 5.000 Tiere oder mehr. Die Hälfte der österreichischen Puten steht auf Bauernhöfen, die weniger als 10.000 Mastplätze haben. Neun heimische Mastbetriebe haben über 15.000 Puten. Insgesamt hat Österreich eine Stallkapazität von 964.343 Mastplätzen, davon vier Prozent für Bio-Puten. In biologischer Haltung darf ein Betrieb maximal 2.300 Puten haben. Die Mastbetriebe sind auf fast alle Bundesländer verteilt und vor allem in Ackerbauregionen zu finden (Stand 2019).
Betriebe | Größe (Stückanzahl) |
---|---|
28 | < 1.000 |
63 | 1.001 - 5.000 |
52 | 5.001 - 10.000 |
14 | 10.001 - 15.000 |
6 | 15.001 - 25.000 |
3 | > 25.000 |
850.000 Euro für neuen Stall

Entscheidet sich ein Bauer, sein Einkommen aus der Putenmast zu beziehen ohne nebenbei einen anderen Beruf zu ergreifen, braucht er neben landwirtschaftlichen Flächen und Know-How den Mut zur Investition. Ein neuer Stall für 10.000 Puten in konventioneller Bodenhaltung kostet etwa 850.000 Euro. Maximal 140.000 Euro werden mit Förderungen abgedeckt. Die Hersteller für die technische Einrichtung von den Futtertränken bis zu den Ventilatoren für die Lüftung sind spezialisierte internationale Unternehmen. Österreichische Unternehmen beraten bei Stallbauprojekten und verkaufen die technische Einrichtung an die Mäster. Eine besondere Herausforderung beim Bau eines Putenstalles ist, dass die 50 Gramm schweren Küken ganz andere Bedürfnisse haben als schlachtreife Tiere mit 10 oder 20 Kilo. Der Bedarf an Frischluft und Wärme verändert sich im Laufe eines Mastputenlebens stark.
Zahlungen der öffentlichen Hand
Der Neubau eines Stalles wäre für eine Bauernfamilie ohne finanzielle Unterstützung über das landwirtschaftliche Fördersystem fast undenkbar. Einen Teil der Kosten übernimmt die öffentliche Hand, die Obergrenze liegt hier bei 140.000 Euro. In Österreich wird im Jahr durchschnittlich ein einziger großer Erwerbs-Putenstall gebaut. Dazu kommt eine Reihe von Zahlungen, die Bauern meist jährlich erhalten. Alle Zahlungen an Bauern sind auf www.transparenzdatenbank.at einsehbar.
> HINTERGRÜNDE: Öffentliche Gelder für Bauern
Bio oder Konventionell

Bio-Putenfleisch ist in der Regel doppelt so teuer wie konventionelles. 2019 gibt es 35 Bio-Putenbauern, neun Jahre davor waren es nur neun. Trotz dieses Anstiegs ist Bio im Vergleich der Mastplätze eine klare Minderheit. Vier Prozent der österreichischen Puten werden biologisch gehalten. Um Bio-Puten zu mästen braucht man neben einem Stall, der ähnlich aussieht wie ein konventioneller, viel Fläche für den Auslauf. Jede Bio-Pute hat Anspruch auf zehn Quadratmeter Auslauf. Anders als in der Hühnerfleischproduktion verwenden Bio-Putenbauern meist die Hybridlinien derselben Züchtermarke wie ein konventioneller Kollege, nur langsamer wachsende Typen. Durch den Auslauf gibt es in der biologischen Haltung eine zusätzliche Gefahr, dass sich die Puten mit Krankheiten anstecken. Dafür sollen die Klimareize im Freien Abwehrkräfte und Robustheit fördern.
Vergleicht man die Anzahl der Betriebe, ist der Bio-Anteil inzwischen sehr hoch, und in den letzten Jahren stark gestiegen. Weil Bio-Bauern weniger Puten mästen, ist der Anteil von Bio-Putenfleisch an der Produktionsmenge vergleichsweise gering.
Datenbank des Anerkannten Geflügelgesundheitsdienstes
Der österreichische Anerkannte Geflügelgesundheitsdienst (Qualitätsgeflügelvereinigung) hat eine Datenbank geschaffen, um den Weg von Geflügel mit allen Kontrollen, Behandlungen und Salmonellenproben aufzuzeichnen. Fast alle Statistiken, die es über die Branche in Österreich gibt, haben die Datenbank als Grundlage. Offiziell heißt sie “Poultry Health Data”.
Zur Eingabe und Einsicht berechtigt sind Betreuungstierärzte, Labors, die Referenzzentrale für Salmonellen, Brütereien, Schlachtbetriebe, Erzeugergemeinschaften und die Mäster selbst. Die Brütereien geben für die Datenbank die Herkunft der Bruteier, die Schlupfrate, die Ausfallsquote, die Impfung und die Menge und Versandadresse der ausgelieferten Küken bekannt.
Bei den Putenmästern muss ein Tierarzt den Namen des Lieferanten der Mastküken, das Ein- und Ausstalldatum, die Anzahl an Puten und eventuelle Impfungen und Medikamentenbehandlungen in die Datenbank eingeben. Die Salmonellenprüfung drei Wochen vor der Schlachtung und die Lebendtieruntersuchung vor der Abholung müssen mit Datum festgehalten werden. Bei der Anlieferung der Puten am Schlachthof muss eine Transportbescheinigung und eine Bestätigung der Einhaltung der Wartezeit nach einem Medikamenteneinsatz vorliegen.
Know-How von Kollegen, Beratern und Forschern

Ein Teil der Ausbildung zum Geflügelfacharbeiter und des Geflügelmeister ist der Putenmast gewidmet. Kurse werden regelmäßig bundesländerübergreifend angeboten. Know-How holen sich Putenbauern auch von Kollegen, von der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Geflügelwirtschaft und bei Tagungen. Forschungsergebnisse, etwa an der BOKU, werden in Schulungen über die Landwirtschaftskammer an die Bauern weitergegeben.
Forschung

Wissenschaftler, die sich mit ihren Teams mit Geflügelfleisch befassen, kommen auch an der Pute nicht vorbei. An der BOKU Wien forschen Karl Schedle und Werner Zollitsch an Tierernährung in der Nutztierhaltung. An der HBLFA Raumberg-Gumpenstein befasst sich Eduard Zentner mit Haltungssystemen, Stallklima und Luftemmissionen. Und an der Veterinärmedizinischen Universität Wien forscht Michael Hess zu Tiergesundheit und Impfstoffen.