Was geschieht, wenn die Tierseuche Österreich erreicht

Die Afrikanische Schweinepest nähert sich der österreichischen Grenze. Ihr Name klingt dramatisch, das Virus kann aber nur Schweine befallen. Menschen sind nicht gefährdet, auch nicht beim Verzehr eines infizierten Schweines. Auswirkungen wird die Krankheit vor allem auf Wildschweine und die wirtschaftliche Situation von Schweinebauern und -verarbeitern haben. Kaum jemand will Schweinefleisch aus betroffenen Regionen oder Ländern, auch wenn meist nur Wildschweine und Schweine von Hobbyhaltern betroffen sind.

Veröffentlicht im Juli 2018

Aktualisiert im Februar und im November 2020 
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Die Afrikanische Schweinepest, kurz ASP, ist ein Virus, das aus Afrika kommt. 2014 meldete mit Litauen erstmals ein EU-Land einen Fall. Seither breitet sich die ASP aus. In der EU gibt es im Baltikum und in Polen Fälle, seit Juni 2017 auch im Osten Tschechiens. Im April 2018 meldeten ungarische Veterinärbehörden den ersten Fall in ihrem Land, nordöstlich von Budapest wurde die ASP an einem Wildschwein diagnostiziert. Ab Mai 2018 breitete sich die ASP unter Rumäniens Wild- und Hausschweinen aus. Im September wurde das Virus erstmals in Westeuropa diagnostiziert, an einem Wildschweinkadaver in Belgien nahe der Grenze zu Luxemburg. Erfahrungsgemäß breitet sich das Virus besonders im Sommer aus. Meistens wird das Virus in den Kadavern verendeter Wildschweine festgestellt.

Update 2020: ASP bei Wildschwein führt zu Import-Stopp von deutschem Schweinefleisch in Drittstaaten

Am 10.09.2020 wurde der erste ASP-Fall bei einem Wildschwein an der deutsch-polnischen Grenze bestätigt (siehe Karte). Bis jetzt sind  noch keine deutschen Hausschweine von der Afrikanischen Schweinepeste betroffen. Wichtige Abnehmer wie Südkorea und China haben dennoch kurze Zeit nach dem Vorfall den Import von deutschen Schweinefleisch gestoppt. Die Auswirkungen auf den Schweinemarkt sind drastisch: Denn immerhin war China bis dato der wichtigste Abnehmer. Die Folgen für Deutschland sind Überschuss und Preisverfall. Hinzu kommen erschwerend die Auswirkungen der Corona-Pandemie: Durch behördliche Sperrungen und andere Restriktionen sind viele Schlachthäuser in Verzug geraten. Bis zu eine Million Schweine drohen bis Weihnachten laut einem aktuellen Bericht des Fachmagazins topagrar in der Warteschleife stecken zu bleiben. 

In Österreich bleibt die Lage stabil: Derzeit sind weder bei Wild- noch bei Hausschweinen Fällle zu verzeichnen.

FÜR WEN DIE SCHWEINEPEST EIN RISIKO IST

Menschen können sich nicht mit der ASP anstecken, selbst wenn sie Fleisch von infizierten Schweinen essen. Auch sämtliche andere Tierarten sind nicht gefährdet. Das Virus kann auch nicht zu einer für den Menschen gefährlichen Krankheit mutieren. Erkrankte Wild- oder Hausschweine verenden in der Regel nach wenigen Tagen. Um zu erfahren, welche Auswirkungen eine Verbreitung von Schwein zu Schwein in Österreich hätte, haben wir mit Vertretern der Schweinebranche, Bauern und Schlachthofbetreibern gesprochen. Wahrscheinlich ist, dass eines Tages ein verendetes Wildschwein gefunden und an ihm das Virus diagnostiziert wird. Dass die Schweinepest auf Bauernhöfen mit hunderten oder tausenden Schweinen auftritt, ist unwahrscheinlich, weil es auf solchen Betrieben umfangreiche Hygienemaßnahmen gibt und der Kontakt zur Außenwelt begrenzt ist. Darauf weist Jürgen Harlizius hin. Er ist Fachtierarzt für Schweine in Nordrhein-Westfalen, jenem Bundesland, das nach Niedersachsen der zweitgrößte Schweineerzeuger Deutschlands ist.

 

„Wenn wir gute Hygienemaßnahmen haben, können wir den Virus nicht in den Hausschweinebestand verschleppen.“

Jürgen Harlizius, Tiergesundheitsdienst Nordrhein-Westfalen

 

Zu den grundsätzlichen Hygienemaßnahmen gehört eine Schleuse beim Stalleingang, wo man etwa Kleidung und Schuhe wechselt und sich desinfiziert. Wie österreichische Branchenvertreter erwartet Harlizius trotz aller Sicherheitsmaßnahmen ein “hartes Jahr”, wenn die Schweinepest tatsächlich die Grenze nach Deutschland oder Österreich überschreitet. Die österreichische Schweineproduktion ist exportorientiert. In Österreich wird derzeit etwa das halbe Schwein aus konventioneller Haltung ins Ausland verkauft. Teile wie Ohren und Schwänze sind hierzulande nicht mehr gefragt, anderswo eine Delikatesse. Wichtige Exportländer wollen kein Schweinefleisch aus betroffenen Regionen, auch wenn die geschlachteten Tiere garantiert nicht das Virus in sich tragen. Es ist zu befürchten, dass einzelne Drittländer Schweinefleisch aus ganz Österreich meiden, auch wenn nur eine Region betroffen wäre. Fallen Exporte weg, sinken die ohnehin schon niedrigen Preise für Schweinefleisch. 

Zusatz 2020: Das massenhafte Auftreten der ASP in China mit Bestandseinbußen bis zu 40 Prozent - in Zahlen: mehrere Hundert Millionen notgeschlachtete Schweine! -  hat zu globalen Marktverwerfungen geführt, da China Schweinefleisch vom Weltmarkt  abgreift, wo immer es zu haben ist. Das treibt den Preis in historische Höhen. Davon profitiert - zumindest vorübergehend - auch die österreichische Schweinebranche.

MAßNAHMEN FÜR DEN ERNSTFALL IN ÖSTERREICH

Erkrankt in Österreich ein Wildschwein an ASP, wird ein Seuchengebiet festgelegt. Dort werden verendete Wildschweine aktiv gesucht, untersucht und entsorgt. Außerdem kann beispielsweise ein Betretungs- und Ernteverbot verhängt werden, um die Wildschweine nicht ins nächste Gebiet zu vertreiben. Bauern im Seuchengebiet dürfen nur Schweine verkaufen, wenn diese einem Überwachungsprogramm unterliegen oder negativ auf ASP untersucht worden sind. Sollte ein Wild- oder Hausschwein nachweislich an der ASP verenden, wird eine Schutz- und Überwachungszone im Umkreis von drei bzw. zehn Kilometern eingerichtet. Schweinehalter, die sich zufällig in einer Schutz- oder Überwachungszone befinden, dürfen ihre Schweine nur mehr nach einer ausführlichen Untersuchung transportieren und verkaufen. Ob ein Schlachthof oder Mastbetrieb die Schweine oder Ferkel aus einer Schutz- oder Überwachungszone haben will, ist fraglich. Was der Bauer dann mit seinen Schweinen macht, ist noch nicht restlos geklärt.

Stellt der Amtstierarzt fest, dass ein Schwein des Bauern an der ASP erkrankt oder verendet ist, muss dieser alle seine Tiere notschlachten lassen. Der Marktwert der gekeulten Tiere wird von der EU ersetzt, nicht aber zusätzliche Unkosten und Folgeschäden. Darüber hinaus bieten freiwillige Versicherungsmodelle eine finanzielle Absicherung für Verkaufsverbote und das Töten ganzer Bestände. Teilweise werden diese noch erarbeitet. Die persönliche Tragödie, wenn ein Bauer alle seine Schweine auf einmal töten und die Tierkörper vernichten lassen muss, kann aber kein Geldbetrag gutmachen.

Die Bevölkerung wäre von ASP-Fällen unmittelbar nur durch punktuelle Betretungsverbote betroffen. Gesundheitlich gefährdet wäre nicht einmal ein Bauer, auf dessen Bauernhof Schweine erkranken. Ob die Schweinefleischpreise steigen, sinken oder stabil bleiben, hängt auch von der ASP-Situation in anderen Ländern ab.

 

“Für lebende Schweine und Produkte von diesen Tieren, die sich innerhalb der Zonen befinden, gelten umfassende Handelsrestriktionen.”

Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

 

Damit die ASP erst gar nicht nach Österreich kommt und sich im Ernstfall nicht verbreitet, hat das Gesundheitsministerium ein umfangreiches Sicherheitspaket eingeführt. Dazu gehört auch die Information von betroffenen Personenkreisen wie Jägern, Schweinehaltern, Forstarbeitern, Reisenden, Saisonarbeitern, Pflegekräften und Tierärzten. Diese werden informiert, wie sie eine Übertragung vermeiden können. Im nördlichen Niederösterreich richteten die Behörden ein “gefährdetes Gebiet” ein, in dem Hausschweine regelmäßig untersucht werden.

WIE DAS VIRUS NACH ÖSTERREICH KOMMEN KÖNNTE

Sieht man sich die Landkarte mit den aktuellen Schweinepest-Fällen an, wird klar, dass Wildschweine nicht die einzigen Überträger sein können. Jener Ort, an dem der betroffene ungarische Kadaver gefunden wurde, liegt mehrere Hundert Kilometer vom nächsten bestätigten Fundort entfernt. Kein infiziertes Wildschwein läuft so weit. Hauptverdächtig ist der Mensch selbst. Als Überträger wird ein Schweinefleischprodukt wie Wurst vermutet, die in einer betroffenen Region von einem eher kleinen Betrieb hergestellt wurde, von einem Schwein, das mit dem Virus infiziert war und nicht erkannt oder gemeldet wurde. Jemand könnte eine Wurstsemmel in der Natur weggeworfen haben und das nächste Wildschwein hat sie gefressen. Wenn im Sommer die Reisetätigkeit zunimmt, werden viele Reisende Wurstsemmeln dabei haben. Jürgen Harlizius weist auf die Gefahr hin, dass Saisonarbeiter aus Osteuropa Schweinepest über Wurst einschleppen könnten. Die meisten in der heimischen Landwirtschaft tätigen Saisonarbeiter und Erntehelfer kommen aus Osteuropa. Daher gibt es Informationsblätter in mehreren Sprachen, auch Hinweistafeln auf Autobahnraststätten. Das Virus überlebt in toten Tieren und Tierprodukten sehr lange, wie die AGES auf ihrer Webseite hinweist.

 

“In gekühltem und gefrorenem Muskelfleisch und in Knochen und in Wurst kann das Virus monatelang weiter leben.”

Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES

 

Ein weiterer Übertragungsweg sind laut AGES Wildschweinkadaver, mit denen Jäger oder Jagdhunde in Kontakt kommen, die das Virus dann weitertragen. Jäger und Forstarbeiter werden dementsprechend informiert. Für alle Personen, die sich in der Natur aufhalten, gilt: Jeder, der ein krankes oder totes Wildschwein findet, sollte einen Amtstierarzt verständigen.

VOR ALLEM HAUSSCHWEINE IN FREILANDHALTUNG GEFÄHRDET

Bei Tierseuchen in der Vergangenheit haben Boulevardmedien teilweise Panikmache betrieben. Als Schuldige wurde immer wieder die “Massentierhaltung” herangezogen. In den bisher betroffenen Ländern im Nordosten der EU waren aber nur vereinzelt große, professionelle Betriebe betroffen. Vor allem Hausschweine in Hinterhof- und Hobbyhaltung verendeten an der ASP. Schweine, die im Freien gehalten werden, können bei unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen Kontakt mit Wildschweinen haben und sich so infizieren. Freilandhaltung ist in Österreich kaum von Bedeutung. Knapp 98 Prozent der Schweine werden in konventioneller Landwirtschaft gehalten, der Großteil davon hat nie Zugang zu Auslauf oder Freiland. Im Bio-Bereich ist ein Auslauf vorgeschrieben. Schweine, die auf einer Weide gehalten werden, sind in der Minderheit. Der Auslauf ist meist ein Außenklimabereich des Stalles an der frischen Luft. Viele Bio-Bauern errichten wegen der ASP um diesen Auslauf aufwändig einen zusätzlichen Zaun und vermeiden so jeglichen Kontakt von Haus- und Wildschweinen. In gefährdeten Gebieten ist die doppelte Umzäunung Pflicht. So sind auch Bio-Schweine vor der ASP geschützt.

ALS DIE SCHWEINEPEST LITAUEN ERREICHTE

Ein Blick nach Litauen zeigt, was im Fall eines großflächigen Auftretens der ASP passieren kann. In dem Land am Baltikum verenden seit 2014 immer mehr Wildschweine an der Schweinepest. Auch Hausschweine waren bereits betroffen. Wir haben mit Algis Baravykas telefoniert. Er ist Direktor der litauischen Schweineerzeuger-Vereinigung. Abgesehen von den Folgen für die Wildschweinpopulation sei das Hauptproblem in Litauen, dass Bauern in Schutzzonen keine Tiere mehr verkaufen dürfen, weder Ferkel an Mäster noch Mastschweine an Schlachthöfe. Baravykas nennt als Beispiel eine Schweinefarm mit 1.600 Sauen, die plötzlich keine Ferkel mehr verkaufen durfte. Alle Sauen und Ferkel mussten am Betrieb getötet werden, obwohl nie eines der Schweine infiziert war. Für den Betrieb bedeutete das den finanziellen Ruin. Andere professionelle Schweinehalter waren ebenfalls nicht versichert und konnten nur mit staatlicher und EU-Hilfe finanziell über Wasser gehalten werden, wie Algis Baravykas erzählt. Dabei sei eine Ansteckung “nur theoretisch möglich” gewesen, denn in Litauen würden wie in Österreich im konventionellen Haltungssystem die Schweine nicht ins Freie kommen, wodurch ein direkter Kontakt mit Wildschweinen oder Wurst- und Fleischwaren und eine Ansteckung auf diesem Weg praktisch unmöglich sei.

 

“Die Vorschriften (dass Bauern in Schutzzonen keine Schweine mehr verkaufen dürfen, Anm.) sind folgenreicher als die Schweinepest selbst.”

Algis Baravykas, Lithuanian Pig Producers Association

 

Ein weiteres Problem sind in Litauen laut Baravykas die nicht-professionellen Schweinehalter, die jeweils einige wenige Schweine halten. Sie hätten die Krankheit am Anfang nicht ernst genommen und weiterhin einen direkten Kontakt ihrer Schweine mit Wildschweinen riskiert. 2015 gab es noch 23.000 nicht-professionelle Schweinehalter, 2018 nur mehr 12.000. Eine Folge für die Schweinebranche waren sinkende Preise, weil andere Länder weniger litauisches Schweinefleisch nachgefragt hätten. Die Konsumenten in Litauen ließen sich aber nicht abschrecken, wie Algis Baravykas von der Schweineerzeuger-Vereinigung berichtet. Der Schweinefleischkonsum sei trotz der ASP stabil. Anfangs hätten Medien Skandale konstruiert, doch die Regierung und die Schweinebranche hätten die Konsumenten gut informiert. In freier Wildbahn breitet sich die Krankheit in Litauen weiter aus. Die Zahl der Diagnosen bei Wildschweinen verdoppelt sich von Jahr zu Jahr. 2014 wurden 76 Infektionen bei Wildschweinen festgestellt, 2017 schon 2456. Von 2014 bis 2017 wurde die ASP in Litauen 64 mal bei Tieren von Hobbyhaltern und viermal bei professionell gehaltenen Schweinen festgestellt. Im ersten Halbjahr 2018 gab es bereits 2500 Fälle bei Wildschweinen und 13 bei Hausschweinen. Algis Baravykas erwähnt eine Auffälligkeit, was die Saisonalität der ASP-Infektionen betrifft. Immer von Juni bis September habe es die meisten Fälle gegeben. Daher würden Experten in Litauen Insekten als Überträger der ASP verdächtigen.

ERSTER SCHWEINEPEST-FALL IN CHINA

Im August 2018 wurde bekannt, dass auf einem chinesischen Betrieb die Schweinepest festgestellt wurde. Er befindet sich in Liaoning, einer nordöstlichen Provinz Chinas. Die Distanz zu Orten im Ausland, an denen die ASP bereits aufgetreten war, ist riesig. Genauso groß ist das Rätsel, wie sich die Afrikanische Schweinepest über diese Entfernung verbreiten konnte. Die chinesische Schweinebranche ist besorgt, schließlich sind rund die Hälfte der weltweit gehaltenen Schweine in China.

Zusatz 2020: Die Besorgnis hat sich mittlerweile als mehr als berechtigt erwiesen. Der chinesische Schweinebestand wurde durch staatlich verordnete Vorkehrungen gegen eine weitere Ausdehnung der ASP drastisch reduziert. Bis zu 40 Prozent aller chinesischen Schweine wurden gekeult. Brutale Bilder von Massenkeulungen mit Kettenfahrzeugen gingen in den sozialen Netzen viral. Der globale Schweinemarkt geriet durch die chinesische Krise und die dadurch bedingte enorm gestiegene Nachfrage in ein allzeit Preishoch. Niemand vermag zu sagen, wie lange diese Situation anhalten wird.

Autor: Martin Pötz

 

Wir zeigen auf unserer Webseite, wie Schweinefleisch in Österreich erzeugt wird, inklusive aller Haltungsformen und deren Vor- und Nachteilen.

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