Neuer Report: Essen und Psyche – ein blinder Fleck im Gesundheitssystem

23.01.2025

Menschen mit psychischen Erkrankungen haben oft ein verändertes Darmmikrobiom. In der Prophylaxe und auch der Behandlung spielen die Zusammenhänge zwischen Essen und Psyche jedoch meist kaum eine Rolle, stellt der Verein Land schafft Leben in seinem neuen Report zum Thema fest.

Unsere Ernährung hat nicht nur einen starken Einfluss auf unser körperliches Wohlbefinden, sondern bestimmt auch maßgeblich über unsere psychische Verfassung mit – und ist im schlimmsten Fall mitverantwortlich für psychische Erkrankungen. Umgekehrt können Stress und Gefühle wie Trauer oder Freude auch unser Essverhalten beeinflussen. Maria Fanninger, Gründerin von Land schafft Leben, sagt dazu:

„Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Laut Expertenschätzungen sind über 80 Prozent der Patientinnen und Patienten auf psychiatrischen Krankenstationen übergewichtig. Auch wenn psychische Erkrankungen natürlich nie nur darauf zurückgeführt werden können, kann eine falsche Ernährung hier wirklich dramatische Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben.“

Maria Fanninger weist auf den großen Mangel an Bewusstsein über diese Zusammenhänge hin: „Die Forschung zu den Wechselwirkungen zwischen Essen und Psyche steckt noch in den Kinderschuhen. Dementsprechend wenig Bewusstsein gibt es dafür in der Bevölkerung. Dabei kann jede und jeder einzelne von uns hier wirklich viel für das eigene Wohlbefinden tun, indem sie beziehungsweise er darauf achtet, ausgewogen und bewusst zu essen.“

Auch in der Ausbildung der entsprechenden Berufsgruppen wird das Thema kaum berücksichtigt. Fanninger: „Laut einer Studie weiß nicht einmal ein Prozent der befragten Psychiaterinnen und Psychologinnen sehr gut über die Zusammenhänge zwischen Ernährung und psychischen Erkrankungen Bescheid. Hier haben wir einen großen blinden Fleck in unserem Gesundheitssystem – und einen akuten Handlungsbedarf.“

Neuer Land schafft Leben-Report „Essen und Psyche“

In seinem neuen Report „Essen und Psyche“ hat sich der Verein Land schafft Leben diesem spannenden Themenkomplex gewidmet. Auf Basis einer umfassenden Literaturrecherche und zahlreichen Gesprächen mit Expertinnen und Experten wird auf rund 50 Seiten auf Fragen wie „Warum kann uns Essen glücklich machen?“, „Wie hängen Darm und Hirn zusammen?“ und „Wie wirkt sich Stress auf die Ernährung aus?“ eingegangen. Zu den Ergebnissen sagt Hannes Royer, Gründer des Vereins Land schafft Leben:

„Unsere Recherche zum Thema Essen und Psyche verdeutlicht einmal mehr, dass Lebensmittel nicht nur zur Nahrungsaufnahme dienen, sondern wirklich ‚Mittel zum Leben‘ sind. Man muss sich einmal vorstellen: Rund 90 Prozent des Glückshormons Serotonin werden im Darm gebildet. Unser Essen bestimmt also sogar mit, wie es uns geht – da kann es einem doch nicht mehr egal sein, was man tagtäglich zu sich nimmt.“

Der Darm als Schlüsselstelle

Wenn es um die Zusammenhänge zwischen Essen und Psyche geht, spielt die Darmgesundheit eine entscheidende Rolle. Denn der Darm und das Gehirn sind über die sogenannte Darm-Hirn-Achse wechselseitig miteinander verbunden. Eine wichtige Grundlage für die Kommunikation zwischen Darm und Gehirn bildet das Darmmikrobiom. Dieses kann man sich als Gemeinschaft von Mikroorganismen vorstellen. Dazu zählen Bakterien, Viren und Pilze, die miteinander leben und interagieren.

Das Darmmikrobiom produziert nützliche und schädliche Substanzen sowie Botenstoffe und beeinflusst damit etwa das Immunsystem, den Stoffwechsel und das Gehirn. Es übermittelt Signale, die sich auf unsere Stimmung, unseren Appetit, unsere Gefühle und sogar auf kognitive Funktionen auswirken. Je vielfältiger die Bakterien im Darmmikrobiom sind, desto besser kann es seine Aufgaben erfüllen. Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie haben oft ein Darmmikrobiom mit einer geringeren Vielfalt und einer veränderten Zusammensetzung der Bakterien. Das zeigt, wie groß der Einfluss des Darmmikrobioms auf unsere Psyche mitunter sein kann.

Das schmeckt dem Mikrobiom

Wie sich unser Darmmikrobiom zusammensetzt, hängt direkt davon ab, was wir essen. Es ist sehr anpassungsfähig: Seine Zusammensetzung kann sich durch eine veränderte Ernährung schon innerhalb eines einzigen Tages wandeln. Auch Stress und körperliche Aktivität spielen dabei eine Rolle. Um die Vielfalt im Darmmikrobiom zu erhalten, sollte man auf eine abwechslungsreiche, überwiegend pflanzliche Kost setzen, die durch tierische Lebensmittel ergänzt wird.

Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Obst, Nüsse, fermentierte Lebensmittel und Milchprodukte sowie Fisch unterstützen das Mikrobiom ganz besonders. Eine sehr zucker- und fettreiche Ernährung, der übermäßige Konsum von Alkohol, große Mengen an Fleisch- und Fleischersatzprodukten sowie anderen hochverarbeiteten Produkten können langfristig zu einer Einseitigkeit im Darm führen – mit potenziellen negativen Folgen für das psychische Wohlbefinden.

Mehr Fokus auf einen gesunden Zugang zu Essen bei Kindern

Was wir essen, wirkt sich also darauf aus, wie wir uns fühlen. Umgekehrt wirken sich unsere Gefühle aber auch darauf aus, was wir essen. Erlernte Muster spielen dabei eine große Rolle. Bekommt man beispielsweise als Kind regelmäßig etwas Süßes als Belohnung für erwünschtes Verhalten, dann wird man sich auch im Erwachsenenalter mit einer Süßigkeit belohnen, wenn man etwas geschafft hat.

Teilweise wird Essen aber auch dazu genutzt, negative Emotionen zu regulieren. Gefühle wie Ärger oder Trauer können durch Essen in mildere Empfindungen umgewandelt werden. Essen dient hier als Bewältigungsmechanismus, der zwar kurzfristig eine emotionale Erleichterung bringen kann, langfristig jedoch einen fehlgeleiteten Umgang mit Emotionen und Stress fördert. Das bringt häufig auch eine einseitige Ernährung mit sich und kann im Extremfall zur Entwicklung einer Essstörung beitragen. Maria Fanninger sieht hier einen großen Handlungsbedarf in der Bildung:

„Wir wissen heute oft gar nicht mehr, warum wir eigentlich essen: Ist es, weil wir wirklich Hunger haben, oder doch nur aus Gusto, aus Langeweile, aus Stress oder weil ein Lebensmittel gerade besonders ‚in‘ ist? Vor allem Kinder und Jugendliche haben oft keinen gesunden Zugang zum Thema Essen. Sie sagen, dass ihnen viele Lebensmittel nicht schmecken und ernähren sich sehr einseitig. Dabei haben sie nur nie die Möglichkeit bekommen, die Vielfalt an Geschmäckern kennenzulernen. Vielfalt ist aber so wichtig für ein gut funktionierendes Mikrobiom – und das wiederum für unser psychisches Wohlbefinden.“

Hier gibt es großes Potenzial für die Gesundheit unserer Gesellschaft, der Bedarf an Aufklärung ist aber noch enorm. Fanninger: „Ernährungsbildung darf kein Luxusgut sein. Jedes Kind und jeder Jugendliche sollte nach der Schule mit dem Wissen darüber ausgestattet sein, wie man sich mit der richtigen Ernährung um seinen Körper und seine Psyche kümmern kann. Damit geben wir ihnen ein extrem wirkungsvolles Werkzeug, mit dem sie jederzeit selbst etwas für ihre Gesundheit und ihre Lebensqualität tun können. Bei Land schafft Leben stellen wir dafür in Kürze methodisch-didaktisch aufbereitetes Unterrichtsmaterial zu diesem wichtigen Thema kostenlos zur Verfügung.“

 

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Carmen Brüggler, Kommunikation

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