Was sollen wir essen?
02.05.2025 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion
Ist die Haltung von Nutztieren noch zeitgemäß? Diese Frage tritt häufig auf, wenn es darum geht, möglichst klimafreundlich zu essen. Klar ist: Unsere Ernährung hat Einfluss auf das Klima – denn Landwirtschaft verursacht immer Emissionen. Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Wilhelm Windisch erklärt im Podcast mit Hannes Royer, warum es sowohl tierische als auch pflanzliche Lebensmittel in einem nachhaltigen Ernährungssystem braucht.
Hannes Royer: Die Ernährungswissenschaft sagt uns eindeutig, dass wir weniger Fleisch essen sollen. Gleichzeitig wollen Bäuerinnen und Bauern wie ich ihren Hof für die Zukunft erhalten.
Wilhelm Windisch: Das Problem ist, dass wir alles in einen Topf schmeißen. Ein Veganer isst keine tierischen Lebensmittel – aber ein Gemischtköstler isst auch vegane Nahrung. Diese großen Mengen an Fleisch, Milch und vor allem Geflügelprodukten kommen aus einem Überschuss aus der Pflanzenproduktion.
Hannes Royer: Was meinst du mit Überschuss aus der Pflanzenproduktion?
Wilhelm Windisch: Wir machen seit vielleicht 60, 70 Jahren tierische Veredelung. Weil wir durch große Fortschritte in der landwirtschaftlichen Produktion einen Überschuss an Getreide oder Soja hatten, haben wir ein höherwertiges Produkt daraus gemacht – und das war Fleisch. Jetzt haben wir eine hohe Erzeugung von Schweinefleisch und vor allem Geflügelfleisch. Wir verfüttern also große Mengen an Lebensmitteln an unsere Nutztiere – das werden wir uns in Zukunft aus Umwelt- und Klimagründen nicht mehr leisten können. Wir müssen uns überlegen, wie wir die Produktion so strukturieren, dass wir möglichst viele Menschen ernähren, mit einer minimalen Wirkung auf Umwelt und Klima.
Hannes Royer: Wie könnte so eine klimaschonende Produktion aussehen?
Wilhelm Windisch: Es gibt unglaublich viel nicht-essbare Biomasse. Das ist Biomasse, die die Landwirtschaft zwangsläufig erzeugt, die aber nicht den Weg auf den Teller des Menschen findet. Beispielsweise fallen bei der Produktion von einem Kilogramm Brot in der Landwirtschaft und der nachgelagerten Mühle insgesamt zwei Kilogramm nicht-essbare Biomasse an. Bei anderen Lebensmitteln ist es deutlich mehr, beim Rapsöl etwa sind es sieben Kilogramm. Im Durchschnitt über alle pflanzenbasierten Lebensmittel kommen auf ein Kilogramm essbares Material mindestens vier Kilogramm nicht-essbare Biomasse inklusive des Grases aus dem Grünland. Wenn ich diese Biomasse in einer Kreislaufwirtschaft richtig einsetze, dann bekomme ich noch drei Liter Milch dazu. Das ist die Rolle der Nutztiere.
Hannes Royer: Was ist mit dem Vorwurf, dass Kühe den Menschen ihr Essen wegfressen?
Wilhelm Windisch: Die Kühe, die das gemacht haben, die haben dem Menschen nichts weggefressen. Wenn ich alle Kosten einberechne, ist der CO2-Fußabdruck von Kuhmilch nicht viel höher als der von Haferdrink. Kühe sollen Gras fressen und können durchaus auch Kraftfutter bekommen. Entscheidend ist dabei nur die Herkunft des Kraftfutters: Wenn es aus Komponenten besteht, die ich sowieso nicht esse, zum Beispiel Rübenschnitzel, die bei der Zuckerherstellung anfallen, dann schenkt die Kuh uns aus nicht-essbarer Biomasse ein wunderbares Lebensmittel. Es gibt durchaus Möglichkeiten, wie wir Rinder verantwortungsbewusst halten und das klimatechnisch gut in den Griff bekommen können.
Hannes Royer: Es gibt also eigentlich keinen Grund für Streitigkeiten zwischen Veganern und Fleischessern – weil beides okay ist und es auch zu keiner Nahrungskonkurrenz kommt, wenn die Tiere optimal gefüttert werden.
Wilhelm Windisch: Wir sollten das essen, was uns die Landwirtschaft in einer umweltgerechten und klimagerechten Produktion anbietet – und dazu brauchen wir auch Tiere. Die Frage ist, wie wir diese Biomasse, die die Landwirtschaft da erzeugt, so kombinieren, dass wir damit in der Summe die meisten Menschen ernähren können. Wir brauchen einfach eine Balance. Es geht nicht um die Maximierung des Outputs, sondern um die Optimierung der Effizienz der nicht-essbaren Dinge. Dann können wir locker drei Viertel unserer derzeitigen Rindfleisch- und Milchproduktion völlig ohne Nahrungskonkurrenz machen.
Das gesamte Gespräch findest du in Folge #229 „Essen: Kreislauf statt Konkurrenz“ unseres Podcasts „Wer nichts weiß, muss alles essen“.