What the FAQ is GAP?

Du verstehst bei den drei zusammengereihten Buchstaben G-A-P nur Bahnhof? Eigentlich stecken dahinter nicht nur unsere Lebensmittel, sondern auch Klimaschutz, Biodiversität und Tierwohl sowie fast 400 Milliarden Euro. Wieviel? Was? Wie? Warum? Wir erklären’s dir – Schritt für Schritt.

Veröffentlicht im Juli 2021
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Im Video erklärt dir Thomas einfach und verständlich die Gemeinsame Agrarpolitik der EU:

Was ist die GAP?

GAP steht für Gemeinsame Agrarpolitik. Unter „gemeinsam“ sind hier die 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union (EU) gemeint, die sich zusammen auf eine Ausrichtung der Agrarpolitik einigen.
Die Landwirtschaft erhält für die Produktion von Lebensmitteln Gelder von der öffentlichen Hand. Seit 1962 entscheiden die Mitgliedsstaaten der EU gemeinsam über diese Förderungen. Wer erhält wie viel von der EU und weshalb: Das wird in der GAP geregelt. Ebenso werden ökologische, wirtschaftliche sowie soziale Ziele, Grundsätze und gesetzliche Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft festgelegt.

Warum ist die GAP gerade jetzt in aller Munde?

Ist sie das? Ja, zumindest in Landwirtschaftskreisen. Das ist eigentlich ziemlich verrückt, denn die GAP geht uns alle an. Alle sieben Jahre wird die Gemeinsame Agrarpolitik reformiert. Wie du dir vielleicht gedacht hast, sind die sieben Jahre vorbei und es ist wieder so weit: Politikerinnen und Politiker sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene diskutieren den neuen Rechtsrahmen – und sollen sich vor allem einig werden. Kein leichtes Unterfangen: Nach zwei Jahren hitzigen Diskussionen, die bis spät in die Nacht reichten, hat sich die EU im Juni 2021 geeinigt. Die neue Gemeinsame Agrarpolitik, die etwas verspätet mit 2023 in Kraft treten soll, sollte bis spätestens Ende dieses Jahres offizielles EU-Recht sein.

Was geht mich die GAP an?

In der GAP geht es in erster Linie um unsere Lebensmittel, aber auch um Klima- und Umweltschutz, Tierwohl sowie die ländliche Entwicklung. Ökonomische sowie ökologische Themen also, die nicht nur Landwirtinnen und Landwirte betreffen, sondern uns alle. Die GAP stellt sicher, dass bezahlbare Lebensmittel aus den EU-Ländern zur Verfügung stehen, die zu gewissen Mindeststandards produziert werden. Insofern sind die Gesetze für die Herstellung unserer Lebensmittel für uns alle von großer Bedeutung. Außerdem geht es um Geld, um viel Geld.

Was will die GAP erreichen?

Bei der Ausrichtung der GAP sollten immer die eigentlichen Ziele im Auge behalten werden. Diese sind im Vertrag über die Arbeitsweise der EU genau festgeschrieben:

  • Steigerung der Produktivität durch Förderung des technischen Fortschritts und durch bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte;
  • Gewährleistung eines angemessenen Lebensstandards für die landwirtschaftliche Bevölkerung;
  • Stabilisierung der Märkte;
  • Sicherstellung der Versorgung;
  • Sicherstellung angemessener Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher.

 

Diese vor allem ökonomischen Punkte werden mit aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen ergänzt:

  • Schutz von Umwelt und Klima;
  • Ländliche Entwicklung;
  • Tierwohl.

 

Die Schwierigkeit liegt darin, die wirtschaftlichen und die ökologischen Ziele auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Außerdem muss die EU die unterschiedlichen Voraussetzungen innerhalb und zwischen den Mitgliedsländern berücksichtigen.

Was ist der Grundgedanke der GAP?

Wir schreiben das Jahr 1962. Der Zweite Weltkrieg sitzt der europäischen Bevölkerung noch tief in den Knochen. Die Menschen sind mit dem Wiederaufbau beschäftigt und leiden nicht selten Hunger. Eins ist klar: Nie mehr Krieg, nie mehr Hunger! Mit diesem Grundgedanken ist nicht nur die EU geboren (damals noch Europäische Gemeinschaft, kurz EG), sondern auch die Gemeinsame Agrarpolitik. Ziel war es, die Nahrungsmittelproduktion und somit die Landwirtschaft zu fördern, um die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Die öffentlichen Zahlungen wurden an die Produktion gekoppelt: mehr Ertrag = mehr Geld. Eine Methode mit viel Wirkung: Im Laufe der Jahre kam es teilweise sogar zu einer Überproduktion. Plötzlich war von „Milchseen“ und „Butterbergen“ die Rede.  Seit 2003 sind die Direktzahlungen von der Produktion entkoppelt und an die Fläche gebunden: mehr Fläche = mehr Geld.
Über die Jahre gewannen andere Aspekte wie Wettbewerbsfähigkeit, die ländliche Entwicklung und Umwelt an Bedeutung und werden nach und nach in die GAP integriert.

Wie funktioniert die GAP heute?

In Österreich sowie in der restlichen EU wird die GAP im Wesentlichen von zwei Säulen getragen. Die flächenbezogenen Direktzahlungen befinden sich in der ersten, die „Ländliche Entwicklung“ in der zweiten Säule. Etwa ein Drittel des gesamten GAP-Budgets in Österreich entfällt auf die Direktzahlungen (1. Säule); zwei Drittel auf die ländliche Entwicklung (2. Säule). Während von Österreich selbst Gelder in die zweite Säule fließen, wird die erste Säule ausschließlich von der EU finanziert.
Die Direktzahlungen sind auf die Fläche bezogen, die ein Betrieb bewirtschaftet. Ebenso in der ersten Säule sind sogenannte Marktmaßnahmen, darunter fielen beispielsweise die Unterstützungen einzelner landwirtschaftlicher Branchen während der Corona-Pandemie.
Die zweite Säule in Österreich ist ein bunter Katalog: Die Entwicklung am Land wird mit Investitionen in Infrastruktur, Fort- und Weiterbildung sowie mit dem österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) gefördert. ÖPUL ist ein bunter Katalog an umweltfördernden Maßnahmen, unter anderem Bio. Setzen Landwirtschaftsbetriebe diese um, bekommen sie dafür Förderungen. Die Unterstützung der erhaltenswerten Landwirtschaft in ungünstigeren Lagen (Ausgleichszulagen) gehen an Betriebe, die aufgrund umweltgerechter Landwirtschaft Mehrkosten oder weniger Erträge haben.

Wie zahlen wir alle mit?

Geld, das ausgegeben wird, muss auch eingenommen werden. Im Fall der öffentlichen Gelder der EU geschieht dies einerseits durch Abgaben und Zölle, wenn beispielsweise Agrargüter aus Drittländern auf den europäischen Markt gebracht werden, andererseits durch die in den einzelnen Mitgliedsländern erhobenen Steuern. Ein Teil davon wird abgezogen, um den allgemeinen EU-Geldtopf zu füllen. Aus diesem EU-Topf wird auch die GAP finanziert. Jede Bürgerin, jeder Bürger finanziert mit seinen Steuern die Landwirtschaft innerhalb der EU mit. Pro Jahr entspricht das im Durschnitt etwa 123 Euro pro EU-Bürgerin resp. -Bürger. Durch die Kofinanzierung Österreichs kommen für österreichische Einwohnerinnen und Einwohner weitere 60 Euro hinzu.

Von wie viel Geld reden wir?

Die GAP ist der größte Einzelposten des gesamten EU-Haushalts. Im Zeitraum von 2021 bis 2027 werden insgesamt 387 Milliarden Euro ausgeschüttet – das entspricht rund 31 Prozent des gesamten Budgets und ein Prozent des EU-weiten Bruttoinlandprodukts (13,3 Billionen Euro). 1970 waren es sogar 70 Prozent des Budgets für den Agrarbereich.
Wie viel Geld ein einzelnes Mitgliedsland von den insgesamt 387 Milliarden Euro bekommt, hängt unter anderem von der landwirtschaftlichen Fläche im jeweiligen Land ab.
 Für Österreich entfallen in den nächsten Jahren rund 8,8 Milliarden Euro. Das ergibt jährlich insgesamt 1,3 Milliarden Euro. Von der österreichischen Staatskasse fließen zusätzlich fast 550 Millionen Euro pro Jahr in die zweite Säule. Damit verdoppeln sich die Gelder in der zweiten Säule annähernd.

Wer erhält die Förderungen?

Um Direktzahlungen innerhalb der GAP zu erhalten, müssen Landwirtinnen und Landwirte gewisse Grundanforderungen (geltende EU-Vorschriften) erfüllen. Diese Anforderungen sollen einen „guten“ landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand der Flächen (GLÖZ) sicherstellen.
In Österreich erhält eine Bäuerin oder ein Bauer pro Hektar etwa 280 Euro jährlich an Direktzahlungen. Je nach Art der Bewirtschaftung kommen noch Gelder aus der zweiten Säule hinzu. Die Auszahlungen pro Betrieb können in eingeschränkter Form in einer öffentlichen Transparenzdatenbank eingesehen werden.
Da die zweite Säule der GAP auch die regionale Entwicklung fördert, sind dort neben Landwirtinnen und Landwirten beispielsweise auch Gemeinden, Genossenschaften Landwirtschaftskammern oder das Ländiche Fortbildungsinstitut gelistet, welches Gelder für Wissenstransfer und Informationsmaßnahmen erhält. 

Je mehr Fläche ein Landwirtschaftsbetrieb hat, desto mehr Förderungen erhält er. Ist das sinnvoll?

Das ist die große umstrittene Frage. Das vielerorts bekannte Bauernsterben wird damit oft in Verbindung gebracht, da flächenbezogene Zahlungen größere Betriebe begünstigen können. In der Tat gehen 80 Prozent der Direktzahlungen an nur 20 Prozent der Betriebe.  Diese Betriebe kriegen vor allem aufgrund ihrer Größe hohe Direktzahlungen. Bis zu einem gewissen Grad haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit dem entgegenzuwirken: durch Umverteilung, Obergrenzen oder einer Regelung, bei der große Betriebe mit jedem weiteren Hektar weniger Geld bekommen (Degression). Allerdings bleibt dies oft ungenutzt. In Österreich sind die Ausgleichszulagen aus der zweiten Säule degressiv gestaltet, die Direktzahlungen aus der ersten Säule unterliegen allerdings keinen Regelungen.
Grundsätzlich sind die landwirtschaftlichen Förderungen als Einkommensstütze gedacht – mit dem Ziel, dass Lebensmittel für alle Einwohnerinnen und Einwohner leistbar sind. Daraus resultieren zwar billigere Lebensmittel, dadurch sind allerdings die Produktionskosten der Landwirtinnen und Landwirte nicht gedeckt.

Weshalb ist die Einigung so kompliziert?

Zuerst: Willkommen im Polit-Dschungel!
Okay, von vorne: In einem ersten Schritt legen die EU-Politikerinnen und -Politiker den europäischen Rahmen fest, in dem sich die Mitgliedsstaaten bewegen dürfen. Das ist nicht gerade einfach: Die Kommission erarbeitet ein Konzept, welches dem Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union vorgelegt werden. Diese müssen sich intern auf eine gemeinsame Position einigen, bevor sie damit in die Verhandlungen – den Trilog – mit den jeweils anderen gehen. Der Trilog ist das Treffen der Kommission mit dem Parlament und dem Rat und hat eine Einigung
der drei EU-Gremien zum Ziel.
Im zweiten Schritt verhandeln und fixieren die Mitgliedsstaaten ihre nationalen Maßnahmen, die nicht in Widerspruch zu den EU-Rahmenbedingungen stehen dürfen. In Österreich ist das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) federführend, wobei am Ende auch das österreichische Parlament den Maßnahmen zustimmen muss.
Zuletzt werden die von den Nationalstaaten ausgearbeiteten Maßnahmen – neuerdings Interventionen – zu einer finalen Prüfung der EU-Kommission vorgelegt. Zeit, um ihre Pläne der Kommission vorzulegen, haben die Mitgliedsländer bis Ende 2021.

Kurz: Es reden ganz, ganz, GANZ viele Personen mit unterschiedlichen Gesinnungen, Werten und Vorstellungen mit, was die Einigung schwierig macht.

Wie geht es mit der GAP weiter?

Die GAP soll sich an den Zielen des Europäischen Grünen Deals (Green Deal) und an der europaweit ausgerufenen Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ (Farm to Fork) orientieren. Grundsätzlich lässt die neue GAP den einzelnen Mitgliedsstaaten mehr Spielraum in der Ausgestaltung. Dies ermöglicht den Mitgliedsländern einerseits die Maßnahmen an ihre spezifischen Bedingungen anzupassen und dadurch ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Andererseits birgt aber genau diese Freiheit die Gefahr, dass Maßnahmen entworfen werden, die in Hinblick auf Umwelt, Klima und Tierwohl, nicht ausreichend ambitioniert sind.
Kritische Stimmen stellen eine grundlegende Verbesserung durch die neue GAP, die im Juni 2021 beschlossen wurde, in Frage. Unter anderem weil Arbeitnehmerrechte für Erntehelferinnen und Erntehelfer vorerst nicht an Auszahlungen gebunden sind, aber auch wegen mangelnden Umweltschutzes. Um einen größeren Fokus auf die bestehenden Umweltprobleme zu legen, werden neu sogenannte Öko-Regelungen von Brüssel vorgeschrieben. Die Öko-Regelungen stellen sicher, dass auch ein gewisser Anteil innerhalb der ersten Säule an konkrete Leistungen für die Umwelt gekoppelt ist. In Österreich fällt dieser Anteil geringer aus, da die Klima- und Umweltschutzmaßnahmen aus der zweiten Säule teilweise angerechnet werden.

Recherche: Thomas Haselberger; Redaktion: Flavia Forrer