Was bringt ein österreichweiter Glyphosat-Ausstieg

14.12.2017 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion

Der Vorstandvorsitzende einer großen heimischen Lebensmittelkette prescht in Sachen Glyphosat-Ausstieg vor: „Die europäische und österreichische Politik muss die Interessen der Menschen vertreten und nicht jene von internationalen Agrochemiekonzernen wie Monsanto“ wird er zitiert. Weiters sei er bestrebt „Glyphosat aus dem österreichischen Lebensmittelhandel zu entfernen“. Ich habe die Argumente, aufgrund derer der Ausstieg aus Glyphosat gefordert wird, einer genauen Analyse unterzogen und versucht, mögliche Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion und letztlich auf den österreichischen Konsumenten daraus abzuleiten. Dabei komme ich zum Schluss, dass ein nationaler Ausstieg aus Glyphosat die damit in Zusammenhang gebrachten Ziele des Konsumenten- und Umweltschutzes kaum berühren würde, dafür zumindest kurzfristig sogar ungünstige ökologische Folgen haben könnte sowie absehbar negative Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Landwirtschaft.

 

Landwirtschaftliche Einsatzbereiche von Glyphosat in Österreich

 

Wie wirkt Glyphosat und wie wird es in Österreich eingesetzt?

Glyphosat wirkt als Total- bzw. Breitbandherbizid (Unkrautvernichtungsmittel), indem es ein Enzym ausschaltet, was in weiterer Folge zum Absterben der Pflanze führt. In Österreich darf Glyphosat nicht in die bereits aufgegangene Kultur gespritzt werden, was auch unsinnig wäre, weil es die Kulturpflanze töten würde. Auch die sogenannte „Sikkation“, die Abtötung von Kulturpflanzen zur Reifebeschleunigung vor der Ernte, ist in Österreich seit 2013 komplett verboten, nicht so in einer Reihe anderer EU Staaten. So erklären sich auch immer wieder kolportierte Glyphosatrückstände in Getreide und damit in Brot, Backwaren und Bier beispielsweise. Hierbei kam das Herbizid über das Verfahren der Sikkation in die Kulturpflanze.

 

Wo wird in Österreich Glyphosat eingesetzt?

Im Ackerbereich kommt Glyphosat hauptsächlich bei folgenden Kulturen zur Anwendung

  •  Mais
  •  Zuckerrübe
  •  Sojabohne

 

Wobei Glyphosat in diesen Kulturen nicht standardmäßig sondern nur unter gewissen Anbaubedingungen, wie etwa erhöhter Erosionsgefahr, verwendet wird.

Erosion: Ein Zentimeter humusreicher Bodenschicht kann nach einem Starkwetterereignis erodieren - und braucht dann ca. 100 Jahre um sich wieder aufzubauen

 

Im Obst- und Weinbau, wo Glyphosat den Streifen unter der Baumreihe frei hält.

Im Grünland wird Glyphosat dagegen nur punktuell zur Ampferbekämpfung eingesetzt.

Mit Mais, Zuckerrübe, Sojabohne sowie Obst und Wein sind äußerst bedeutsame Kulturen der heimischen Landwirtschaft von der Glyphosat-Thematik betroffen. Mais etwa kommt in Form von Isoglukose („Maissirup“) in einer Vielzahl von Produkten als Süßungsmittel vor, Mais findet sich in jeder Ration praktisch aller in Österreich gemästeten Tierarten (Geflügel, Schwein und Rind) und Maissilage stellt einen wichtigen Bestandteil der Futtermittel für Österreichs Milchkühe.

Mit Mais, Zuckerrübe, Sojabohne sowie Obst und Wein sind äußerst bedeutsame Kulturen der heimischen Landwirtschaft von der Glyphosat-Thematik betroffen

 

Mögliche Auswirkungen eines Glyphosat-Ausstiegs für…

 

... Österreichs Landwirtschaft

In den genannten Bereichen des Acker-, Wein- und Obstbaues hätte ein einseitiges österreichisches Verbot für die heimischen Landwirte in jedem Fall ökonomische Auswirkungen. Mögliche Alternativen sind mit erheblichen Mehrkosten verbunden, wie jetzt schon die Biologische Landwirtschaft zeigt.

In der Tierhaltung scheint ein konsequent zu Ende gedachter Glyphosatausstieg über die ganze Produktionskette schwer bis unmöglich durchführbar. Selbst wenn die erhöhten Produktionskosten für (einheimischen) Mais noch finanziell abgegolten werden könnten: Spätestens bei der Eiweißkomponente Soja, das zurzeit überwiegend aus mit Glyphosat behandelten genmanipuliertem Sojaanbau aus Übersee stammt, stößt die Machbarkeit an ihre Grenzen. Österreich könnte die enormen Mengen an „glyphosatfreiem“ Soja gar nicht selbst produzieren. Es fehlt an der dafür erforderlichen Fläche.

Auch in Österreichs Schweinen "steckt" importierter Soja 

Dem oben ausgeführten Beispiel für die Schweineproduktion lassen sich noch eine ganze Menge anderer hinzufügen. Wie wurde der Zucker im Energy-Drink produziert, die Fruchtzubereitung im Joghurt, diese oder jene Komponente des Futtermittels mit dem ein Huhn, ein Rind, ein Schwein gemästet wurde? Kann eine lückenlose glyphosatfreie Produktion selbst auch nur jener Produktionsschritte, die ausschließlich in Österreich passieren, gewährleistet und kontrolliert werden? Bevor diese Fragen nicht geklärt sind, erscheint die Forderung nach einem „nationalen Ausstieg“ aus Glyphosat nicht durchdacht.

Ein vollständiger Umstieg auf Biologische Produktionsweise erscheint als die einzige Möglichkeit mit einem konsequenten Glyphosatverbot in der Landwirtschaft Ernst zu machen. Dieses Szenario wirft eine Reihe weiterer Fragen auf. So sind mit dem Biolandbau beispielsweise unvermeidbare Ertragseinbußen und ein eklatant höherer Personalaufwand verbunden. Dass dies die Produktionskosten und in Folge die Preise für den Endkonsumenten empfindlich steigern würde, ist evident – ganz abgesehen von der Frage, ob die heimische Landwirtschaft dann noch die Selbstversorgung bei wesentlichen Produktgruppen gewährleisten könnte.

In der Tierhaltung scheint ein konsequent zu Ende gedachter Glyphosatausstieg über die ganze Produktionskette schwer bis unmöglich durchführbar

 
... Österreichische Konsumenten

Im Lichte der obigen Ausführungen sind auch die möglichen Auswirkungen eines Glyphosataustiegs auf den heimischen Konsumenten zu sehen. Wird der Lebensmitteleinzelhandel dem Konsumenten ein lückenloses Sortiment aus garantiert glyphosatfreier Produktion anbieten können, bei der globalen Verflechtung der Produktionsprozesse? Werden einzelne Rohstoffe wie Zucker oder auch Schweinefleisch von der heimischen Landwirtschaft bzw. Verarbeitung nicht mehr in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt, dann ist der Konsument gezwungen zu importierter Ware zu greifen. Auf die diesen Lebensmitteln unterlegten Produktionsbedingungen hat er keinen Einfluss. Ein konsequenter nationaler Alleingang beim Ausstieg aus Glyphosat dürfte also mehr als zweifelhafte „Vorteile“ für den heimischen Konsumenten nach sich ziehen.   

 

"Wird der Lebensmitteleinzelhandel dem Konsumenten ein lückenloses Sortiment aus garantiert glyphosatfreier Produktion anbieten können" - oder bliebe dann der Einkauswagen leer?

Ein konsequenter nationaler Alleingang beim Ausstieg aus Glyphosat dürfte also mehr als zweifelhafte „Vorteile“ für den heimischen Konsumenten nach sich ziehen.

 
Die Argumente gegen Glyphosat im Faktencheck

 

„Wahrscheinlich krebserregend“ die IARC -Einstufung

Das IARC (Krebsforschungsagentur der WHO) stufte 2015 Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Eine ganze Reihe nationaler und internationaler Risikobewertungsagenturen bescheinigt Glyphosat hingegen weitgehende Unbedenklichkeit. 

Das erste und Haupt-Argument für den geforderten Ausstieg aus Glyphosat ist dessen Einstufung als „wahrscheinlich krebserregend“ durch die Internationale Agentur für Krebsforschung IARC der WHO. Die IARC prüft, ob der Stoff das Potenzial besitzt, Krebs auszulösen. In dieser Prüfung stufte die Agentur Glyphosat auf den Wert 2a, also als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Auf derselben Krebsgefährdungsstufe 2a befindet sich etwa auch der Friseurberuf sowie Inhaltsstoffe, die natürlicherweise in Äpfeln, Grapefruits oder in frittierten Lebensmitteln enthalten sind. Mit 1, also als „sicher krebserregend“, bewertet das IARC beispielsweise Stoffe wie Alkohol, Tätigkeiten wie das Rauchen, Kaminkehren oder auch UV-Licht.

Was diese Einstufung nicht verrät ist, wie wahrscheinlich man Krebs bekommt, wenn man diesen Stoffen ausgesetzt ist. Wenn von Glyphosat eine Krebsgefahr ausgeht, dann sind davon vor allem Menschen betroffen, die unter schlechten Sicherheitsvorkehrungen mit großen Mengen Glyphosat arbeiten müssen oder in Regionen leben, wo das Pestizid massiv eingesetzt wird. So wie in weiten Teilen Süd- und Nordamerikas, wo es in immer höheren Dosen und insgesamt in rauen Mengen mit dem Flugzeug auf gentechnisch veränderte, das heißt gegen Glyphosat resistente Monokulturen ausgebracht wird. Das ist nicht vergleichbar mit den Auflagen, die in Europa eingehalten werden müssen – und ganz besonders streng in Österreich, wo der Glyphosat-Einsatz noch weitergehenden Restriktionen als in den meisten anderen EU Staaten unterliegt.

...wie in weiten Teilen Süd- und Nordamerikas, wo es mit dem Flugzeug auf gegen Glyphosat resistente Monokulturen ausgebracht wird

Diese gravierenden Unterschiede in der landwirtschaftlichen Praxis werden in der medial geführten Debatte kaum wahrgenommen, sind aber für das potentiell von Glyphosat ausgehende Risiko von entscheidender Bedeutung. Weshalb heimische Landwirte betonen, dass Glyphosat bei sachgerechter Anwendung unbedenklich sei. Diese Einschätzung wird von der Forschung weitestgehend geteilt. Die nationalen Gesundheits- und Risikobewertungsagenturen vieler Staaten* kommen einhellig zum selben Schluss, der letztlich auch der neuerlichen Verlängerung der Zulassung für Glyphosat für weitere fünf Jahre durch die EU zu Grunde gelegen hat.  

Der IARC-Prozess ist also keine Risikobewertung. Eine solche Abschätzung fällt eher in das Ressort des deutschen BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) oder seines österreichischen Pendants, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, kurz AGES. Diese kommt daher zum Schluss: „Die RisikobewerterInnen der AGES sehen den Wirkstoff als sicher für Menschen an und somit den Anwender- und Konsumentenschutz in allen Punkten gewährleistet. Allerdings müssen entsprechend der Forderungen Österreichs an die EU-Kommission mögliche Auswirkungen auf Umwelt und Vielfalt national minimiert werden.“

Diesem Ziel der „nationalen Minimierung“ dienen bereits jetzt sehr restriktive nationale Anwendungsbeschränkungen: so ist seit 2013 mit dem so genannten "Sikkations-Verbot" die Abtötung von Kulturpflanzen zur Reifebeschleunigung vor der Ernte verboten, sofern das Erntegut für Lebens- oder Futtermittelzwecke bestimmt ist. Dasselbe gilt für die Vor-Erntebehandlung und die Reifespritzung (=Sikkation) bei Saat- und Braugetreide. Laboruntersuchungen im Auftrag der Landwirtschaftskammer zeigten erst kürzlich, dass österreichisches Getreide glyphosatfrei ist. Selbiges gilt für jene heimischen Biersorten, welche ausschließlich aus österreichischen Rohstoffen gebraut werden.

* Beispielsweise: das BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung, Deutschland), die EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit), die ECHA (Europäische Chemikalienagentur), die US-amerikanische EPA (Environmental Protection Agency), die neuseeländische EPA (s.o.), die kanadische PMRA (Pest Management Regulatory Agency), die australische APVMA (Australian Pesticides and Veterinary Medicines Authority), die japanische Food Safety Commission , das JMPR, (Joint FAO/WHO Meeting on Pesticide Residues) Tochter von WHO und FAO…

Die RisikobewerterInnen der AGES sehen den Wirkstoff als sicher für Menschen an und somit den Anwender- und Konsumentenschutz in allen Punkten gewährleistet

 
Umweltrisiken durch Glyphosat

 

Giftig für Gewässerlebensräume

Glyphosat ist laut Greenpeace sehr giftig für Gewässerlebensräume. Tatsächlich wird Glyphosat in Gewässern nur sehr langsam abgebaut und kann daher dortige Lebewesen schädigen. Allerdings ist der unerwünschte Austrag von Glyphosat in Gewässerlebensräume bei sachgerechter Anwendung minimal bis ausgeschlossen. So berichtet auf unsere Anfrage die Landwirtschaftskammer Niederösterreich, dass an den 460 Messstellen der Gewässerzustandsüberwachung des Landes im Jahr 2013 bei 1380 Messungen sechs Nachweise von Glyphosat erbracht wurden. In den risikobasierten Messungen der Folgejahre bis 2017 wurde nur mehr in einem Fall (2015) Glyphosat nachgewiesen.

Die Giftigkeit von Glyphosat ist für Tiere (Säugetiere, Vögel, Fische, und Wirbellose) gering, da das gehemmte Enzym EPSPS nur bei Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen vorhanden ist. Die Toxizität glyphosatbasierter Produkte kann allerdings durch ihre Formulierung beeinflusst werden. So führt beispielsweise die Verwendung von Netzmitteln (wie beim Monsanto Produkt „Roundup“) zu einer höheren Toxizität, insbesondere bei Wassertieren. Weshalb auch alle in der Formulierung enthaltenen Zusatzstoffe einer Zulassungspflicht unterliegen. Viele Glyphosatprodukte aus China beispielsweise, wo global gesehen das weitaus meiste Glyphosat produziert wird, sind für den europäischen Markt nicht zugelassen. 

 
Schaden für langfristige Bodenfruchtbarkeit

Im Zuge unserer Recherche zum  Zuckerrübenanbau, einer Kultur, wo Glyphosat je nach agrarischer Praxis zur Anwendung kommen kann, wies uns ein Pflanzenbauexperte der BOKU auf einschlägige umfangreiche Datensätze der AGES hin. Diese belegen eine Stabilisierung bis Erhöhung des Humusgehaltes auf Zuckerrübenackerflächen im Vergleich zum Zeitraum der 1970er- bis 1990er-Jahre, wo ein Humusrückgang im Boden zu verzeichnen war. Insbesondere durch flächendeckende sogenannte Winterbegrünungen, die vor allem der Gefahr der Wasser- und Winderosion und dem damit verbundenen Humusabbau erfolgreich entgegenwirken. Landwirte weisen darauf hin, dass gerade im Zusammenhang mit der Winterbegrünung Glyphosat eine nicht unwesentliche Rolle in ihrer Erosionsschutzstrategie zukomme. Dieselben Landwirte auf mögliche Alternativen zu Glyphosat angesprochen, meinten, dann müsse man wieder vermehrt auf den Pflug zurückgreifen, was für den Erosionsschutz und damit für die Bodenfruchtbarkeit kontraproduktiv sei. Oder aber man steige insgesamt aus dem Zuckerrübenanbau aus.

Im Video ab min 5:25 - ein Bodenexperte der BOKU über langfristige Bodenfrucktbarkeit, Herbizideinsatz und Probleme im Bio-Bereich beim Zuckerrübenanbau

 

Verringerung der Artenvielfalt

Häufig wird von Umweltschutzorganisationen das Argument vorgebracht, Das Totalherbizid Glyphosat schädige eine Reihe von Tieren und Insekten indirekt, indem es ihnen den Lebensraum und die Nahrungsquelle zerstöre, da jede Pflanze absterbe, wenn sie mit Glyphosat in Berührung komme. Diese Darstellung erscheint mir verkürzt und bedarf einer differenzierten Betrachtung.

  •  Glyphosat wird nie auf blühende Pflanzen und generell nicht in bereits aufgegangene Kulturen ausgebracht.
  •  Alternativen wie der Pflug zerstören ebenfalls alle Pflanzen vor der Aussat der Kulturpflanze. Jene wachsen aber wieder nach und müssen deshalb neuerlich „bekämpft“ werden. Nichts wesentlich anderes passiert bei der Anwendung von Glyphosat, das im Boden abgebaut wird und sich nicht dort anreichert.

Die AGES nimmt dazu wie folgt Stellung: „Das Risiko für Bodenorganismen, bestäubende Insekten und Vögel ist gering. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hat immer indirekte Effekte auf das Ökosystem und die biologische Vielfalt. Durch aktiven Schutz von Nicht-Kulturland und die Einführung von Ausgleichsflächen kann diesen indirekten Effekten in der Umwelt entgegengewirkt werden.“

 

Addendum: Die Einstufung der IARC im Zwielicht – der „Fall Portier“

Vermutete Interessenkonflikte bei einem federführenden Gutachter, fehlende Transparenz im Zuge der Erstellung der IARC „Krebs-Monographie“ und nicht berücksichtige Glyphosat entlastende Studien werfen Fragen auf und sind Gegenstand einer Anfrage an die IARC durch das US Repräsentantenhaus.

 

Die „Krebs-Monographie“ des IARC trug die Handschrift von Christopher J. Portier, der externer Gutachter der Behörde in dieser Sache war. Ein Statistikprofessor und ehemaliger Lobbyist der US-NGO „Environmental Defense Fund“, die seit Jahrzehnten gegen den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft Kampagnen durchführt. Portier war daneben auch rechtlicher Berater einer amerikanischen Anwaltsgroßkanzlei. Diese strebt in den Vereinigten Staaten seit Jahren Sammelklagen gegen Monsanto an. In Zeitungsanzeigen sucht sie nach Krebskranken, die in Kontakt mit Glyphosat waren, beziehungsweise dem darauf basierenden Produkt „Roundup“ von Monsanto. Sie verweist in der Anzeige auf die Studie des IARC, die „wahrscheinliche Krebsgefahr“ attestiert. Die Erfolgsaussichten der entsprechenden Klage sind dadurch erheblich gestiegen. Portier erhielt von dieser Anwaltskanzlei als Berater insgesamt 160.000 US-Dollar für Beratungsleistungen.

Im Lichte dieses vermuteten Interessenskonfliktes und zusätzlich irritiert durch gravierende Abweichungen zwischen einem geleakten Entwurf und der schließlich veröffentlichten „Krebs-Monographie“ des IARC fordern mittlerweile zwei Vertreter des US Repräsentantenhauses von der IARC Auskunft über die Vorgänge rund um dessen Zustandekommen. Wie Kate Kelland von der Nachrichtenagentur Reuters berichtet hat, hätte der ursprüngliche Entwurf der IARC-Monographie über Glyphosat nicht die schließlich erfolgte Bewertung als “wahrscheinlich krebserregend” erlaubt. Dies wurde erst dadurch möglich, dass bei der finalen Bearbeitung in mindesten zehn Fällen negativen Aussagen bezüglich des Krebsrisikos (“nicht krebserregend”) in neutrale oder sogar positive Aussagen abgeändert wurden. Die IARC verweigerte auf Nachfrage von Reuters jede Auskunft darüber, wer für diese Abweichungen zwischen dem Entwurf und dem veröffentlichten Papier verantwortlich war und erteilte den beteiligten Wissenschaftlern quasi einen Maulkorb.

 

Entlastende Glyphosat-Studie wurde nicht berücksichtigt

Außerdem hatte der Vorsitzende der IARC-Arbeitsgruppe zu Glyphosat, Aaron Blair, Kenntnis von den damals noch nicht veröffentlichten Ergebnissen der Agricultural Health Study (AHS), einer Serie von wissenschaftlichen Untersuchungen in den USA, die regelmäßig durchgeführt werden und sich mit Gefährdungen durch Pflanzenschutzmittel u. a. befassen. Im Rahmen der AHS wurde anhand der Daten von mehr als 54.000 Menschen, die im Zeitraum von 1993 bis 2005 mit Glyphosat gearbeitet hatten, untersucht, ob Glyphosat Krebs auslösen kann. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass eine krebserregende Wirkung des Herbizid-Wirkstoffs auf die Anwender nicht erkennbar sei und wurde vor Kurzem im “Journal of the National Cancer Institute”, dem offiziellen Veröffentlichungsorgan der staatlichen Krebsagentur der USA veröffentlicht.

Blair räumte in einer Aussage vor Gericht ein, dass sich die IARC-Einstufung von Glyphosat „wahrscheinlich geändert hätte“, wenn die Ergebnisse der AHS-Studie berücksichtigt worden wären. Da sie jedoch noch nicht publiziert waren, schieden sie aus formalen Gründen aus und fanden keinen Eingang in die Beratungen.