„Schwein gehabt“ in Zeiten von Afrikanischer Schweinepest und Klimawandel?

11.02.2020 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion

Ist Österreichs Schweinebranche gerüstet für den Klimawandel? Wie sieht sie der Zeit nach der Hochpreisphase entgegen, die durch die Afrikanische Schweinepest (ASP) bedingt ist? An der Beantwortung dieser beiden Fragen hängt nicht weniger als die Zukunft des heimischen Schweines.

Des einen Leid, des anderen Freud

In China wütet die Schweinepest. Bis zu 50 Prozent des mit Abstand größten nationalen Schweinebestandes sind ihr bis dato zum Opfer gefallen. Das sind mehrere Hundert Millionen Schweine! Jedes zweite Schwein weltweit wurde vor der ASP in China gemästet und verspeist, um die Dimensionen sichtbar zu machen. Das hat natürlich globale Auswirkungen. China schnappt sich zurzeit vom Weltmarkt, was es kriegen kann. Das hat den Schweinepreis in historische Höhen getrieben und unseren Schweinebauern und der ganzen Branche nach einer langen Durststrecke eine Verschnaufpause verschafft. Kein Mensch weiß, wie lange diese anhalten wird. Spekulationen reichen von mindestens zwei bis höchstens fünf Jahre. Dann hat China entweder seine Schweineproduktion wieder einigermaßen hochgefahren und/oder seine Eiweißstrategie auf Huhn im großen Stil, bei insgesamt drastischer Senkung des Fleischkonsums umgestellt. So hört man. Bis dahin brummt die Schweinebranche. Immer vorausgesetzt der Virus erwischt uns in Österreich nicht, oder auch unseren nördlichen Nachbarn, was genauso schlimm wäre.

An der ASP verendetes Wildschwein (hier ein Bild aus Litauen) - Das Schreckensbild auch für die heimsiche Schweinebranche

 

Wer sich in der Branche umhört zurzeit, bekommt ganz Verschiedenes zu hören. Da sind die Optimisten, die sich selbst freilich eher als Realisten mit Tatkraft und Unternehmergeist bezeichnen würden. Von hierher weht folgender Wind: „Carpe diem, nütze die Zeit und die Umstände und hochgefahren die Produktion, wo sie doch so gewinnbringend wie lange nicht ist. Und natürlich alles getan um das Gespenst ASP außen vor zu halten.“ Ich habe unlängst einen Vortrag eines bekannten Tierarztes gehört, der sich genau in diese Richtung ausgesprochen hat.

 

Carpe diem, nütze die Zeit und die Umstände und hochgefahren die Produktion, wo sie doch so gewinnbringend wie lange nicht ist.

Andere freilich warnen genau davor. Sie wollen die Verschnaufpause gern für eine längerfristige strategische Ausrichtung nützen. Auch sie sprechen sich dafür aus, die sich bietende Chance am Schopf zu packen. Aber mit doch recht anders lautenden Schlussfolgerungen. Die China-Blase, so sagen sie, kann jederzeit platzen. Der momentane ökonomische Höhenflug soll daher besser für eine Gesamtumschau und eine Vorschau genutzt werden, die die ganze Branche fit macht für zukünftige Herausforderungen. Diese kommen anders als die ASP eher von innen und weder Zäune noch irgendwelche anderen Biosicherheitsmaßnahmen werden ihnen gerecht.

Klimawandel mal zwei

Damit bin ich beim Klimawandel. Und auch dieser betrifft die Schweinbranche in einem doppelten Sinn. Klimawandel: Das meint zum einen, die allgegenwärtige Klimaerwärmung, die längst auch die Bauern zu spüren bekommen. Mit ihnen ihre Nutztiere. Der Klimawandel heizt diesen ein und die Frage nach den „Schuldigen“ am Klimawandel heizt den Landwirten ein, wenn sie ehrlich sind. Das Lebensmittel Fleisch gilt per se als klimafeindlich. Hier müssen sich alle in der Wertschöpfungskette „warm anziehen“ und mit guten Argumenten wappnen. Diese gibt es. Wir von Land schafft Leben haben sie in umfangreicher Recherche zusammen getragen und in einem Fact-sheet, einem Hintergrundbericht und anschaulichen Grafiken dargestellt.

Heimisches Schwein liegt zwar mit einem CO2-Fußabdruck von „nur“ 6Kg/Kg Fleisch unter dem EU-Schnitt von 7,5 kg hat hier aber noch definitiv Luft nach oben. Das zeigt der Vergleich zum Bio-Schwein. Dass dieses besser bilanziert, liegt einzig am Sojaextraktionsschrot, das bei Bio nicht verfüttert wird. Die damit einhergehenden Landnutzungsänderungen schlagen zu Buche. In Österreich werden pro Jahr rund 400.000 t Sojabohnen bzw. Sojaprodukte importiert. Immerhin: Die Menge an importiertem Soja ist in den letzten Jahren rückläufig. Dies ist auf sinkende Bestandzahlen sowie auf mehrphasige bzw. eiweißreduzierte Schweinefütterung zurückzuführen. Ein weiterer Grund ist vermehrter Sojaanbau in Österreich bzw. der Einsatz alternativer Eiweißquellen. Der Austausch von importiertem Soja aus Übersee durch heimische Eiweißquellen reduziert den CO2-Fußabdruck des Schweinefleisches deutlich.

Aber ganz abgesehen von den Sojaimporten. Zuallererst gilt es den Umstand kritisch ins Auge zu fassen, dass 71 Prozent der globalen Ackerfläche für Tierfutter reserviert sind. Grünland ist hier nicht enthalten! Auf fast drei Viertel aller Ackerflächen wachsen also Pflanzen, die den Umweg über den Trog in unseren Magen nehmen. Auf diesem Umweg geht Energie verloren, das kann man drehen und wenden, wie man will. Eine mittel-bis langfristige Bestandsreduzierung aller Tiergattungen und eine damit verbundene Reduktion der durchschnittlichen Fleischkonsums halten alle von uns befragten Experten für ein probates Mittel zur Reduktion von Treibhausgasen aus der Landwirtschaft.

 

 

Diese Forderung von Experten, die freilich in der Dimension weit auseinanderliegen (15 bis 50 Prozent)  bringt mich zu einer Art zweiten „Klimawandel“. Dieser hängt eng mit dem ersten zusammen und wird von diesem massiv verstärkt. Er betrifft vor allem die tierhaltende Landwirtschaft schon länger. Das gesellschaftliche Klima nämlich. Es wird rauer, wenn es um die Akzeptanz dieser Form landwirtschaftlicher Produktion geht. Mit dramatischen Folgen. Der Absatz von Schweinefleisch bricht ein bei den Altersgruppen bis 35, wie Marktbeobachtungen klar zeigen. Kritik an mangelndem Tierwohl, Eingriffen, Haltungssystemen etc., wie immer praxisfremd diese auch dem Landwirt erscheinen mag, zeigt Langzeitwirkung.

Quo vadis Schwein in Österreich?

Was, wenn sich die Schweinbranche angesichts des doppelten Klimawandels gerade in der jetzigen Hochkonjunktur darauf besinnt, nach vorne zu denken und sich neu auszurichten? Was, wenn sie statt mit den Bestandszahlen raufzufahren, diese maßvoll drosselt als mittelfristiges Ziel? Und alle an der Wertschöpfungskette Beteiligten dafür gewinnt und darauf einschwört? Allen voran den Handel, der dieses Umdenken entsprechend seiner Kundschaft „schmackhaft“ machen müsste? Als zeitgemäße Reaktion sowohl auf den globalen als auch sozialen Klimawandel. Im Sinne einer standortgerechten Landwirtschaft müssten hier echte Eckpfeiler eingeschlagen werden, damit diese mehr wird als ein leeres Schlagwort. Wenn das gelingt, dann können weniger Schweine auch mehr Wertschöpfung für den Schweinebauern bedeuten. Ich bin aber nicht so naiv zu glauben, dass dies ganz einfach und auf die Schnelle über die Bühne gehen kann. 

Welches Bild der heimischen Schweinezucht und -mast bringt die Zukunft?

 

Wer aber jetzt, bildlich gesprochen, den Rahm abschöpfen will, dem werden derlei Gedanken absurd erscheinen. Ein Blick auf die Milchbranche könnte den rechten Fingerzeig geben. Es erstaunt mich immer wieder, wie wenig nachhaltig dort in Zeiten gewirtschaftet wird, wo der Milchpreis hoch ist. Produktion raufgeschraubt auf Teufel komm raus, kurzfristig abgecasht und der ganzen Branche den nächsten Fall des Milchpreises ins Bodenlose beschert. Vielleicht ist das ja auch ein „Naturgesetz“, wie der berühmte Schweinezyklus, den meines Wissens auch noch keiner ernsthaft hinterfragt hat. Dann darf sich aber auch niemand beschweren, wenn der Schweine- oder Milchpreis wieder einmal im Keller ist. Spannend aber bleibt die Frage, ob es sich hier tatsächlich um ein unumstößliches Naturgesetz handelt. Vielleicht bieten ASP und der doppelte Klimawandel die einmalige Chance an diesem Mythos zu rütteln?