Schauen, Schnüffeln, Schmecken! Mindesthaltbarkeitsdatum ≠ Ablaufdatum

09.02.2017 / Essen & bewusster Konsum

Greenpeace-Praxischeck beweist, was der mündige Konsument längst wusste. Das MHD heißt noch lange nicht, dass ein Lebensmittel ab diesem Zeitpunkt nicht mehr genusstauglich ist. In der Praxis führt das zu massiver unnötiger Lebensmittelverschwendung. Greenpeace sieht den Gesetzgeber in der Pflicht. Ich eher den Konsumenten…

„Fast alle Lebensmittel 14 Tage nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums einwandfrei“ so lauten erste Ergebnisse einer von Greenpeace Österreich durchgeführten Langzeitstudie. Ein bunter Warenkorb wurde dazu getestet. „Die im Labor vorgenommenen mikrobiologischen und sensorischen Tests haben gezeigt, dass fast alle Produkte auch 14 Tage nach Ablauf des MHD von Qualität und Geschmack her völlig in Ordnung sind“, so Greenpeace-Sprecherin Hanna Simons. 

 

© Greenpeace / Mitja Kobal/ Der von Greenpeace zusammengestellte bunte Warenkorb - einzig der vegane Brotaufstrich war 14 Tage nach dem MHD verdorben

 

Der Lebensmitteleinzelhandel darf aber per Gesetz Ware, welche das MHD überschritten hat, nicht mehr zum Verkauf anbieten. Das ist ja schließlich der Zweck des MHD im Sinne der Lebensmittelsicherheit. Dieser Sinn kehrt sich aber, wie nicht erst diese Studie belegt, häufig genug in sein Gegenteil. Weil es schlicht unsinnig ist, einwandfreie, aufwendig produzierte Lebensmittel dem menschlichen Genuss vorzuenthalten. So führt die gängige Praxis schon beim Handel zu einem vermeidbaren Lebensmittelverlust. Dieser steigert sich noch erheblich durch falsche Verbrauchergewohnheiten bzw. -unwissenheit. 

Beim Handel und weit mehr noch beim Konsumenten verursacht das MHD unnötige Lebensmittelverluste

Nach wie vor verwechseln viele Konsumenten das MHD mit einem „Ablaufdatum“. So lautet denn auch der bei weitem geläufigere Begriff. Was zur Folge hat, dass Unmengen an einwandfreien Lebensmitteln ohne vorherige sensorische Prüfung auf Genusstauglichkeit im Müll landen. Laut Greenpeace mehr als ein Drittel der insgesamt 760.000 Tonnen vermeidbarer jährlicher Lebensmittelverluste! Eine ungeheuerliche Zahl.

 

Greenpeace fordert „realitätsnahes MHD“…

und schrammt damit knapp an der Realität in der Lebensmittelindustrie vorbei, wie ich meine. Aus Gesprächen mit Verantwortlichen aus der Lebensmittelherstellung und dem Handel konnte ich nämlich erfahren, dass es eine eigene Bewandtnis mit der gängigen Festlegung des MHDs für Lebensmittel hat.

Erstens muss der Hersteller natürlich ein gewisses Sicherheitspolster einbauen. Undenkbar - so habe ich es wiederholt von dieser Seite her gehört -, wenn Lebensmittel tatsächlich vor dem MHD nicht mehr genusstauglich wären. Zweitens und in der Praxis noch viel wichtiger: Die Lebensmittelindustrie und der Handel haben jetzt schon häufig mit Produktreklamationen im Zusammenhang mit dem MHD zu tun, die schlicht durch unsachgemäßen Transport, falsche Lagerung oder andere Fehler des Endkonsumenten resultieren. Zum Beispiel dem Unterbrechen der Kühlkette bei entsprechend sensiblen Produkten, oder der Missachtung des häufig auf Lebensmitteln anzutreffenden Hinweises, demzufolge das einmal angebrochene Produkt innerhalb weniger Tage zu verzehren sei. 

 

© Greenpeace / Mitja Kobal/ Das MHD bezieht sich immer auf das verpackte Lebensmittel - reklamierende Konsumenten kümmert das oft nicht 

Weil viele Konsumenten hier wenig achtsam mit Lebensmitteln umgingen, baue man einer Reklamationsflut durch ein entsprechend (über)vorsichtig angesetztes MHD vor. Mit anderen Worten: Der unachtsame Konsument und seine Unsitten sind es vor dem Lebensmittelindustrie und Handel in vorauseilendem Gehorsam und aus leidvoller Erfahrung in die Knie gehen beim Ansetzen des MHD. Deshalb halte ich die Greenpeace-Forderung an den Gesetzgeber nach „Rechtlichen Vorgaben für ein realitätsnahes Mindesthaltbarkeitsdatum“ bei aller guten Absicht für nicht besonders erfolgversprechend. 

 

Ich schlage stattdessen vor: Schau nach und riech mal…

und du wirst in den allermeisten Fällen feststellen, das Zeug ist noch tadellos, obwohl das MHD längst überschritten ist. Vielleicht bin ich mit meinem Vorschlag ebenso praxisfern und vielleicht ist der Konsument schon allzu weit von seiner Mündigkeit entfernt und längst reiner „Konsumtrottel“? Ich mag das nicht glauben…

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