ASP – ein Gespenst geht um

21.08.2018 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion

Man nennt es nicht gerne beim Namen. Lieber kürzt man diesen ab. Spätestens aber, wenn irgendwo in Österreich das erste Wildschwein tot umfällt und ASP als Todesursache diagnostiziert wird, werden auch die Medien und die Menschen von der Afrikanischen Schweinepest Wind und damit auch Angst bekommen. So viel darf und muss vorhergesagt werden, damit man sich auf das zu Erwartende einstellen kann. Praktisch alle Experten, die wir von Land schafft Leben dazu befragt haben, sind sich einig: Es ist keine Frage „ob“ sie kommt, sondern viel eher „wann“ und dann auch noch „wo“ sie zuerst auftritt.

Sind die Schweine-Branche und alle, die es mittel und unmittelbar betrifft ausreichend auf diesen Fall vorbereitet? Also Veterinär- und Gesundheitsbehörden, die Politik, Schlachthöfe und vor allem auch die einzelnen Schweinehalter? Das ist schwer zu sagen. Ein Kollege von mir und ich selbst haben uns jedenfalls verschiedentlich dazu umgehört. Und wir haben auch einen hohen Vertreter der Schweinebranche in Litauen befragt, ein Land, das bereits voll von ASP betroffen ist, und recht Interessantes dabei erfahren.

Wenn irgendwo in Österreich das erste Wildschwein wegen ASP tot umfällt ...

 

Zunächst aber möchte ich meine ganz persönliche Einschätzung...

über das Gespenst, das hier umgeht, hier kurz darlegen und zur Diskussion stellen. Ich glaube, das vielleicht größte Problem an der Afrikanischen Schweinepest ist ihr Name. „Afrikanisch“ und „Pest“ zusammen, das ist vom Abschreckungspotenzial wohl kaum zu toppen. War die Vogelgrippe schon für viele Konsumenten schwer „verdaulich“, so werden diese die Afrikanische Schweinepest wohl noch viel schwerer „schlucken“. Dabei waren einige Stämme der Vogelgrippe für den Menschen tatsächlich potenziell gefährlich, was bei der Schweinpest definitiv nicht der Fall ist. Aber: Wird es gelingen diese für alle Konsumenten zunächst sicher wichtigste Botschaft auch entsprechend zu kommunizieren? Wird man den Veterinären, den Humanmedizinern, den Experten der AGES glauben, wenn sie die prinzipielle Ungefährlichkeit für den menschlichen Konsum beteuern? Oder wird das eine oder andere Medium einen auf Skandal und Bedrohung machen? Wird das Auftreten der Schweinepest NICHT dazu genutzt werden ein wenig Verunsicherung zu streuen? Ich würde mich sehr wundern, wenn nicht jedenfalls die „Massentierhaltung“ bei dieser Gelegenheit auf der Anklagebank zu sitzen kommt. Unbeschadet der Tatsache, dass es eindeutig Wildschweine sind, die als Überträger fungieren und in Ländern wie zum Beispiel Litauen, die noch sehr weit verbreitete Hinterhofhaltung weit eher zur Ausbreitung beiträgt als die weitgehend abgeschirmte, biosichere Haltung in der Großform. Damit möchte ich nichts gegen kleine Schweinehalter hier in Österreich gesagt haben und auch nicht den schwarzen Peter an die wenigen Freilandbetriebe weiterreichen. 

Risikofaktor Freilandhaltung?

Das folgende Video von der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) bietet Informationen für Schweinehalter aber auch interessierte Laien zum Thema Prävention, Hygiene, Biosicherheit im Zusammenhang mit der ASP:

Wird man den Experten glauben, wenn sie - wie im Film - die prinzipielle Ungefährlichkeit für den menschlichen Konsum beteuern?

Ein Blick nach Litauen...

spricht indes eine klare Sprache. Algis Baravykas, Direktor der litauischen Schweineerzeuger-Vereinigung berichtet uns am Telefon über die Vorgänge beim Auftreten der ersten ASP-Fälle in dem baltischen Staat und auch, wie sich die Branche schon im Vorfeld auf diese Krisensituation vorbereitet hat. In Litauen verenden seit 2014 immer mehr Wildschweine an der Schweinepest. Auch Hausschweine waren bereits betroffen. Abgesehen von den Folgen für die Wildschweinpopulation sei das Hauptproblem in Litauen, dass Bauern in Schutzzonen keine Tiere mehr verkaufen dürfen, weder Ferkel an Mäster noch Mastschweine an Schlachthöfe. Baravykas nennt als Beispiel eine Schweinefarm mit 1.600 Sauen, die in einer 30 km Sperrzone aufgrund eines an ASP verendeten Wildschweines gelegen war und plötzlich keine Ferkel mehr verkaufen durfte. Alle Sauen und Ferkel mussten am Betrieb getötet werden, obwohl nie eines der Schweine infiziert war. Für den Betrieb bedeutete das den finanziellen Ruin. Andere professionelle Schweinehalter mit einem ähnlichen Schicksal waren versichert und konnten sich so zumindest finanziell über Wasser halten, wie Algis Baravykas erzählt. Dabei sei eine Ansteckung „theoretisch unmöglich” gewesen, denn in Litauen würden wie in Österreich im konventionellen Haltungssystem die Schweine nicht ins Freie kommen, wodurch ein direkter Kontakt mit Wildschweinen und eine Ansteckung auf diesem Weg sehr unwahrscheinlich sei.

Ein weiteres Problem waren in Litauen laut Baravykas die zum Zeitpunkt des Auftretens der ASP 23.000 nicht-professionellen Schweinehalter, die jeweils einige wenige Schweine hielten. Sie hätten die Krankheit am Anfang nicht ernst genommen und weiterhin einen direkten Kontakt ihrer Schweine mit Wildschweinen riskiert. Eine Folge für die Schweinebranche waren sinkende Preise, weil andere Länder weniger litauisches Schweinefleisch nachgefragt hätten. Die Konsumenten in Litauen ließen sich aber nicht abschrecken, wie Algis Baravykas von der Schweineerzeuger-Vereinigung berichtet. Der Schweinefleischkonsum sei trotz der Schweinepest stabil. Anfangs hätten Medien Skandale konstruiert, doch die Regierung und der öffentlichen Rundfunk hätten die Konsumenten gut informiert. Beide waren sofort nach Auftreten von Experten der Schweinebranche mit vorweg aufbereiteter Information „gefüttert“ worden. Sodass die mediale Schlacht gegen die eher auf Skandalisierung abzielenden anderen Medien rasch geschlagen war. 

Die Konsumenten in Litauen ließen sich aber nicht abschrecken und der Schweinefleischkonsum ist trotz der Schweinepest stabil

Learning from Litauen? 

Soweit in aller Kürze der Bericht aus Litauen. Kann die österreichische Branche daraus lernen? Ich denke ja, wobei die Ausgangslage im Vorfeld des Auftretens von ASP hier wie dort doch recht unterschiedlich bewertet werden muss.

Erstens, wie schon erwähnt, ist die Klein- und Kleinstschweinehaltung in Litauen noch weit verbreitet, wenngleich viele Tausend Hinterhof-Halter aufgrund der ASP aufhören mussten, wie Baravykas uns wissen ließ. Zweitens ist die litauische Schweinebranche wesentlich weniger exportabhängig als die österreichische. Hierzulande werden große Teile der Produktion nur im Ausland nachgefragt und wir haben nur eine theoretisch zu nennende Vollversorgung von Schweinefleisch. Theoretisch deshalb, weil wir mit der inländischen Produktion die Nachfrage nach sogenannten Edelteilen nicht decken können. Salopp gesagt, tauschen wir am Weltmarkt Schweinsohren -bäuche und -füße für Lungenbraten und Schnitzelfleisch ein. Sollte aber der Exportmarkt für unser Schwein wegen ASP zu großen Teilen einbrechen, hört sich dieses Tauschgeschäft auf. Die Edelteile würden dann vermutlich entschieden teurer werden und nicht im Inland Vermarktbares, also fettere, knorpeligere Teilstücke, Innereien, etc. müsste wohl im großen Stil vernichtet werden.

Salopp gesagt tauschen wir am Weltmarkt Schweinsohren -bäuche und -füße für Lungenbraten und Schnitzelfleisch ein

Soweit ein mögliches Szenario für den Fall, dass zumindest der Inlandsmarkt für Schweinefleisch weiterhin funktionieren würde, wie er das offenbar in Litauen trotz ASP tut. Und hier frage ich noch einmal, ob sich wohl dasselbe Bild ergeben wird hier in Österreich? Wird man zuerst einen Ulrich Herzog als oberste Veterinärbehörde im ORF Entwarnung geben sehen? Entwarnung nämlich, was die Gefährdung von Konsumenten betrifft. Oder werden im öffentlichen Rundfunk und in den auflagenstarken Zeitungen vielleicht eher andere und anderslautende Stimmen laut werden?

Dieser Blogbeitrag erschien im Rahmen einer Kooperation in der Ausgabe Nr. 29 des Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblattes.

Nähere Informationen zur ASP hat mein Kollege Martin Pötz in folgendem Beitrag gebündelt: 

> Hintergründe: Afrikanische Schweinepest