"Und gib uns unser täglich Fleisch..." Teil 2

24.05.2016 / Lebensraum & Nachhaltigkeit, Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion, Essen & bewusster Konsum

Schwein gehabt?

Immer noch des Österreichers liebstes Fleisch. Wir sind die Schnitzelnation Nr. 1. Wie gehen Produktion und Konsum zusammen? Warum importieren wir Schweine? Und wie werden Schweine sozusagen global "zerteilt" - und mit welchen Folgen?

Und jetzt kommt‘s: 110 % Selbstversorgung bei Schweinen. Das klingt doch gut. Warum werden dann aber jährlich mehr als eine halbe Million Schweine aus Deutschland, Dänemark, den Niederlanden usw. nach Österreich importiert – lebend teils quer durch Europa gekarrt? Es gibt mehrere Gründe dafür.

  • Wir essen nur „Edles“ und verschippern und verscherbeln (zwangsläufig) den Rest

 

Wobei der "Rest" hier ganz eindeutig untertrieben ist. Eine Zahl, welche mir unlängst ein Brancheninsider verraten hat, gibt hier nämlich wirklich sehr zu denken. Gerade mal 29 Prozent der Fleischteile eines Schweines finden im Inland Verwendung. Der weitaus größere Teil der Sau geht in den (Billig)Export. 

Schau dir diese Grafik an: Sie führt recht plastisch vor Augen, wie heute das industriell produzierte Schwein global zerlegt wird – sozusagen. 

 

 

 

Österreich schneidet sich von der Sau sein Schnitzel raus. Der Deutsche seinen Schweinebraten, der Italiener seinen Prosciutto etc. Die EU Fahne zeigt, dass die verwöhnten europäischen Konsumenten und Gäste – und damit auch wir Österreicher –  sich um den Lungenbraten, das Schweinsfilet raufen sozusagen (beim Rind, beim Kalb, beim Huhn dasselbe übrigens). Und die „unedleren“ Teile gehen an China und co bzw. in die Wurst – sehr vereinfacht ausgedrückt. Chinesen lieben sehnige, knorpelige und fettreiche Fleischpartien und sie zahlen gutes Geld dafür. So gutes aber nun auch wieder nicht. 

 

Österreich schneidet sich von der Sau sein Schnitzel raus. Der Deutsche seinen Schweinebraten, der Italiener seinen Prosciutto. Weniger als ein Drittel der Fleischteile einer Sau findet im Inland Verwendung!

Dabei ist klar, dass das Edelteil „Filet“, welches etwa in der Gastronomie bevorzugt verwendet, weil nachgefragt wird, eben nur einen ganz geringen Teil des gesamten Schweines ausmacht, wie die untere Grafik zeigt.

 

 

Diese Tendenz zum „billigen Luxus“ – die natürlich nicht beim Schwein halt macht (man denke nur ans Hühnerbrüstchen und ans Steak) – lässt alt hergebrachte traditionelle Rezepte von weniger edlen Teilen zusehends von den Speisekarten verschwinden und bedingt über Jahrzehnte hin eine rasant gesteigerte Schweineproduktion und sogar zusätzliche Importe von Schweinen. 

Tendenz zum „billigen Luxus“: althergebrachte traditionelle Rezepte von weniger edlen Teilen gehen verloren und Schweineproduktion wird rasant gesteigert

Dem wäre mit einer Renaissance der guten alten kulinarischen Praxis beizukommen, alles vom Schlachttier in wohlschmeckende Gerichte zu verwandeln. Und dem damit verbundenen Knowhow, wie es gerade in Österreich bis vor gar nicht allzu langer Zeit geradezu Schule gemacht hat (Stichwort „Beuschel“). Wenn dich das näher interessiert, hier ein hervorragender Beitrag aus der Slow-Food-Ecke zum Thema „Komplettverwertung von Nutztieren in der Küche“ inklusive herzhaft beschriebenen Rezeptideen

 

 

  • Grenznahe Produktion

 

Manche österreichische Verarbeiter bedienen sich aus dem grenznahen Ausland. Dies macht einerseits insofern Sinn als so mancher Transportweg für Schweine dadurch kürzer gerät. So grenzt Tirol etwa an Bayern nicht aber an die Steiermark, Ober- oder Niederösterreich, wo die meisten heimischen Schweine gemästet werden. Und in Tirol sitzt einer der großen Verarbeiter. Die von diesem veredelten ausländischen Schweine, zu Wurst und Speck verarbeitet, dürften theoretisch dennoch unter rot weiß roter Flagge laufen, ja sogar mit einem g.g.A Siegel (geschützte geographische Angabe) aufwarten. Denn für dieses Siegel würde es genügen, dass eine der wesentlichen Produktionssstufen in der Region angesiedelt ist. Das genannte Tiroler Familienunternehmen verarbeitet jedoch für seine g.g.A. gekennzeichneten Waren ausschließlich Schweine aus heimischer Produktion, welch nach AMA Kriterien gehalten und geschlachtet wurden. So viel zur Ehrenrettung des Speckriesen.  

 

  • Billigproduktion in Ländern wie Deutschland und Niederlande

 

Die Produktionskosten in den vergleichsweise viel größeren Schweinemastbetrieben der genannten Länder, häufig verbunden mit wesentlich niedrigeren Verarbeitungskosten in den ebenfalls immer größer werdenden Schlachthöfen, gestatten es der ausländischen Konkurrenz eben billiger zu produzieren. Dabei wird seit Jahren hitzig debattiert über „Ausnahme-Arbeitsbedingungen“, wie sie Subunternehmer von großen Schlachthöfen ihren überwiegend ausländischen Arbeitnehmern „anbieten“. 

Während also heimische Verarbeiter gerne auf billigeres Schwein aus dem Ausland zurückgreifen, konnten sich viele österreichische Schweinemäster und Schlachtbetriebe kleineren und mittleren Maßstabs in den letzten Jahren in dieser Niedrigpreisspirale nicht länger halten und sperrten zu. 

 

 

Teil 1: Billigprodukt Fleisch?

> Teil 3: Huhn im Aufwind, Pute im Sturzflug?