Über die Natur und die Dynamik ihrer Kreisläufe: Ein Praktikum am Permadieshof

03.01.2023 / Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion, Lebensraum & Nachhaltigkeit

Was bedeutet es, als Mensch ein Teil der natürlichen Kreisläufe zu sein und inwiefern hängt das mit dem eigenen Konsum zusammen? Der folgende Blogbeitrag ist neben meinem Erfahrungsbericht eine Zusammenführung von stundenlangen Gesprächen mit der Permakultur-Landwirtin Viktoria Silmbroth und mir, Land schafft Leben Grafik-Designerin Kristína, verteilt über mein viertägiges Praktikum am Permadieshof.

„Permakultur (permanent agriculture = dauerhafte Landwirtschaft) ist das bewusste Gestalten und Erhalten landwirtschaftlich produktiver Ökosysteme, die die Vielfalt, die Dauerhaftigkeit und Selbstregulierungsfähigkeit natürlicher Ökosysteme aufweisen.“

(Bill Mollison)

Die Botschaft dieses Zitates durfte ich in meinen vier Tagen, welche ich an einem Permakulturhof zwischen den imposanten Bergen der Ötztaler Alpen im Pitztal verbracht habe, live miterleben. Durch mein Praktikum wollte ich mehr über Permakultur erfahren und darüber, wie landwirtschaftliche Produktion abseits weiter verbreiteter Wirtschaftsweisen funktionieren kann. Für die weite Reise aus Wien hatte ich mir die Frage „inwiefern lässt sich mein Leben durch Permakultur beeinflussen?“ mitgenommen. Antworten auf diese Frage fand ich im Tun am Hof und gleichzeitig in stundenlangen Gesprächen mit der energievollen Viktoria, der Landwirtin – seit neuestem Hobbyschwertkämpferin, ausgebildeten Mentorin und Köchin – ihren zwei Kindern Zoey und Irina und Viktorias Mutter Lucia. Die Familie, bestehend aus drei Frauengenerationen, hat sich zum Auftrag gemacht bewusst im Sinne der Natur zu handeln und hat dabei einen achtsamen Umgang zu Tier, Mensch und Pflanzen entwickelt. Die Frauen am Permadieshof sehen unser verantwortungsvolles Handeln als unverzichtbar für mindestens die nächsten drei Generationen.

Der multifunktionale Hof umfasst insgesamt 150 Tiere (Yaks, Puten, Hühner, Schweine, Ziegen, Schafe und eine Katze) verfügt über einen Hofladen und eine eigene Küche mit eigenen Produkten von Marmeladen bis hin zur Yak-Wurst. Der Hof dient nicht nur zur Zucht gefährdeter Nutztierarten, sondern auch als Schau-Lehrhof, auf dem, aktuell auch Kochkurse angeboten werden. Nur so kann Permakultur für Viktoria und ihre Familie funktionieren; „…in der Ehrlichkeit zu sich selbst und zur Natur, aus der sich spätere Handlungen motivieren lassen.“ Das ist der Grund, wieso jegliches Essen, das am Hof gefunden werden kann, selbst hergestellt – und auch so wenig wie möglich Lebensmittelabfälle produziert werden.

Übrigens: Das Konzept der Permakultur wurde in den 70ern von Bill Mollison entwickelt. Durch den sozialen und verbindenden Aspekt kann jede kleine gemeinsame Gartenfläche mit der Nachbarin oder den Nachbarn im Sinne der Permakultur gehalten werden und beispielsweise zu einem Bildungsprojekt für die Kinder in der Nachbarschaft werden. Dadurch bringt das Konzept das Potenzial mit, sich zu einer Lebensphilosophie zu entwickeln.

Kreisläufe am Permadieshof

Jeden Tag in der Früh, nach dem Frühstück – welches aus selbstgebackenem Brot und selbstgemachter Marmelade bestand – erhielt ich kurze Anweisungen, was für den Tag zu tun sei. Die Fülle der Morgengespräche bestand somit nicht aus praktischen Anleitungen für die Arbeit, sondern Großteils aus Reflexionen der gestrigen Arbeit und verbindenden Gedankengängen zum Leben mit der Permakultur. Die Tage waren von Arbeit am Hof gefüllt. Zu hören waren die Hühner, Puten und Yaks und ab und zu der Kater, der mich während der Arbeit immer wieder besuchen kam. Viktoria ließ mich die Arbeit in Menschenstille erledigen, um meine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse unabhängig von ihren zu machen. Am Abend hatte ich die Möglichkeit, die wundersame Natur außerhalb des Hofes im Gehen wahrnehmen zu können und die Menschenstille des Tages mit in meine Spaziergänge hineinzunehmen. Nach dem Sonnenuntergang kam ein neuer Sonnenaufgang und bald fing der Tag wieder von neuem an: Morgengespräche, Arbeit am Hof, Abendspaziergänge – ein geschlossener Kreislauf in sich.

Veränderung im Einklang mit der Natur

Das Konzept der Permakultur spricht vom ständigen Wandel der Natur, an welchen es sich anzupassen gilt: von Mustern und Messwerten, die zu erkennen sind und in ihrer Veränderbarkeit wahrzunehmen sind. Wie beispielsweise das Planen der Beerenernte und deren weitere Verarbeitung, aber gleichzeitig das Übriggelassen von ein paar Beeren für Vögel, ein Vorgang, der nicht planbar ist. In unserem Fall waren es Aroniabeeren. Auf theoretischer und ebenfalls auf praktischer Ebene durfte ich den Wandel in der Verwendung der unterschiedlichen Gartenflächen des Permadieshofes miterleben. Diese wurden zeitgleich auch durch einen anderen Wandel geprägt – durch den der Jahreszeiten: der Sommer wurde langsam zum Herbst. In meiner täglichen Arbeit hatte somit das Ernten von Obst- und Gemüsesorten einen wichtigen Stellenwert. Kürbisse, Fisolen, Bohnen, Erbsen und Aroniabeeren wurden von mir stundenlang geerntet, dies hatte nicht nur den Zweck des späteren Verarbeitens und Essens sondern auch den der Veränderung der unterschiedlichen Funktionen der Gartenteile. Das Ernten der Aroniabeeren war somit nicht nur nützlich für Menschen und Vögel, es konnte gleichzeitig Platz für die Yaks und somit ein neuer eigener Raum geschaffen werden. 

Als ich am Hof angekommen war, waren die Yaks durch einen Zaun von den Hühnern und Puten getrennt, und diese wiederum von den Gemüse- und Obstgärten. Das sollte sich in der kurzen Zeit ändern. Unter die Wintervorbereitungen am Permadieshof fällt nämlich das Ernten der Früchte und das Öffnen der Gartenflächen (mit den verbleibenden Pflanzenresten) für die Tiere, welche über den Winter somit eine große gemeinsame Fläche zum Essen und Kompostieren haben. Das bringt mehrere Vorteile: die Tiere brauchen im Winter keinen beheizten Stall und haben genug Auslauffläche, und für den nächsten Frühling ist für Dünger und fruchtbare Erde durch Tierkot gesorgt. Dieser natürliche Kreislauf wird durch Viktorias Leitung in Gang gesetzt.

Durch mein stilles Tun am Hof und die motivierenden, empathischen und temperamentvollen Gespräche wurde mir eines klar: ich muss nicht ans Land ziehen und ein Grundstück besitzen, um Permakultur leben zu können. Das Verstehen und Beobachten natürlicher Kreisläufe und Muster, das ehrliche und achtsame Handeln und das Hinterfragen des eigenen Konsums reichen völlig aus, um mich selbst als Teil der Permakultur zu verstehen… Ich konnte versuchen, zu lernen und zu beobachten, wie viel ich tatsächlich brauche, und was ich zuvor geglaubt hatte zu brauchen - und danach meine Einkaufsmuster ändern. Und das ist auch schon mehr als genug oder eben ein guter Anfang.

 

Permakultur-Bäuerin Viktoria im Gespräch

Kristína: Was bedeutet Permakultur für dich?

Viktoria: Permakultur ist für mich eine Lebenseinstellung. Permakultur ist das, wie ich mein Leben lebe, und zwar in Ganzheitlichkeit, Nachhaltigkeit, Wirksamkeit, mit den höchsten ethischen Grundprinzipen gegenüber der Natur, der Tiere, der Menschen und auch mir selbst. Es ist ein lebendiges System, es gibt zwar funktionierende Strukturen und Messwerte, diese sind aber nicht starr, sondern in ständiger Veränderung. So wie sich auch unser ganzer Hof ständig verändert – mit den Jahreszeiten, mit den Einflüssen der Natur, mit unserer Arbeit. Das System der Permakultur funktioniert auch ohne mich, durch die ständigen Änderungen und die Lebendigkeit ist es überhaupt nicht von mir abhängig.

 

Was bedeutet es für dich ein Teil des Kreislaufs innerhalb der Permakultur zu sein?

Es bedeutet für mich, aus der Fülle der Natur zu handeln, es ist alles da, was gebraucht wird. Wir sollten lernen, mit dem umzugehen was alles da ist, dazu brauchen wir einen achtsamen Umgang mit den Ressourcen. Aus dieser Position heraus soll ein Mehrwert für alle (wieder Tier, Natur und Mensch) geschaffen werden. Das System der Permakultur funktioniert auch ohne mich, durch die ständigen Änderungen und die Lebendigkeit ist es überhaupt nicht von mir abhängig.

 

Kannst du das noch detaillierter beschreiben?

Ich finde, jede/r hat eine Eigenverantwortung zu tragen, das heißt auch ein ständiges Beobachten, Korrigieren, Ehrlichkeit zu sich selbst und somit auch zum Umfeld und der Umwelt. Was läuft gut und was läuft falsch, wo sind meine Fehler, wo kann ich ähnliche Muster und Systeme in der Gesellschaft beobachten? Meiner Meinung nach kann immer von großen gesellschaftlichen Systemen in kleine familiäre Eigensysteme runtergebrochen werden. Denn wenn ich im Großen ein Problem beobachten kann, kann ich – mit Ehrlichkeit gegenüber mir selbst – in meinem kleinen System zu Handeln beginnen und Gewohnheiten ändern. Als Beispiel sehe ich das Schaffen eines Bewusstseins zur Lebensmittelverschwendung und das Weitergeben des Wissens über Permakultur in meinen Kochkursen.

 

Wie können wir deiner Meinung nach in der Permakultur leben?

Der große Irrglaube bei dem Verständnis der Permakultur ist das es landwirtschaftlich abhängig ist, wir können Permakultur immer und überall leben. Wir sollten mit Ehrlichkeit und Ethik durch den Alltag gehen. In dem Moment, wo wir beobachten und handeln, kommen wir in das Gestalten und verstehen uns als Teil des Kreislaufes und nicht als ein Außerhalb.

Das könnte dich auch interessieren

Eine Woche Alm und zurück: Von Tiroler Grauvieh und Steirerkas
Mehr erfahren
Erntehelfen: Ein Selbstversuch
Mehr erfahren
AfterWork am Bauernhof: auf Du und Du mit Schwein und Kuh
Mehr erfahren
Drohne im grünen Gras | © Pixabay
Digitalisierung in aller Munde – aber auch in aller Praxis?
Mehr erfahren