„Das Land, wo Milch und Honig fließen?“ Milch, Milchprodukte und Eier

13.05.2016 / Lebensraum & Nachhaltigkeit, Landwirtschaft & Lebensmittelproduktion

Österreich ist traditionell ein Milchland. In keinem Land der EU wird anteilsmäßig so viel Milch in Bergregionen und benachteiligten Gebieten produziert. Das ist grundsätzlich ökologisch gesehen absolut sinnvoll, da die Kuh für uns unverdauliches Gras in ein wertvolles Lebensmittel umwandelt, das wiederum Ausgangsprodukt für eine ganze Reihe weiterer ist. Auch Eier stecken in vielen Lebensmitteln drin – oft unerkannt. Genau genommen in jedem zweiten! Kommen die alle aus Österreich? Nein. Wie sieht dann das Verhältnis von Produktion zum Konsum aus?

 

Naja, was den Honig im Titel anbelangt, ist das nicht ganz korrekt. Da sind wir doch massiv auf Importe angewiesen – fast die Hälfte des gesamten inländischen Konsums bedient ausländischer Honig. Im Milchsee – wenn man so will – aber baden wir tatsächlich. Schaut euch dazu nur einmal die unten stehende Grafik an. 

Milch wird in großen Mengen exportiert – vor allem als H-Milch

Was fällt dabei auf? Genau: Der Selbstversorgungsgrad (sprich das Verhältnis von im Inland produzierten zur ebendort konsumierten Milch) „performt“ seit Mitte der Neunziger Jahre als wäre er eine Top-Aktie. Zurzeit liegen wir hier etwa bei 170%! Anders ausgedrückt, fast die Hälfte der produzierten Milch findet im Inland keinen Absatz. Warum diese Diskrepanz zwischen Produktion und Konsum? Grob gesagt hat das zwei Ursachen. Einerseits ist der einheimische Konsum seit Jahren nicht gerade berauschend und hat sich auf relativ niedrigem Niveau eingependelt. Relativ niedrig etwa verglichen mit den Zahlen aus dem vergangenen Jahrhundert. 1950 wanderte noch die doppelte Menge Milch das Jahr über in den durchschnittlichen österreichischen Magen, ganze 165 Liter nämlich. Anfang der Neunziger ist der Konsum dann drastisch eingebrochen von noch respektablen 132 Liter 1985 auf knapp 76 im Jahr 1990. Und bei ca. diesem Wert halten wir seitdem. Gleichzeitig hat die Produktion stetig angezogen, was natürlich zur Folge hatte, dass ausländische Absatzmärkte zunehmend an Bedeutung gewonnen haben und das nach wie vor tun. Mit den sattsam bekannten Schwierigkeiten, die das zur Folge hat (Stichwort volatile Märkte/schwankende Milchpreise) 

 

 

Warum trinken wir weniger Milch?

Das ist unmöglich so leicht zu beantworten. Die Ursachen dafür sind zahlreich und untereinander verwoben. Einerseits hat die immer breiter werdende Palette von Getränken auf Milchbasis (man denke nur an den Siegeszug von Latella und co) der guten alten Milch ihren Soloauftritt erschwert. Mehr noch sicher die Konkurrenz aus den Reihen der „Lifestylegetränke“ (Cola, Redbull, „Wasser mit Geschmack“ – sprich aromatisiertes), deren unzweifelhaftes Minus an Gesundheitswert (Zucker, Zusätze) gegenüber dem Naturprodukt Milch dennoch nicht die Massenabwanderung eben dorthin hat aufhalten können. 

 

Warum steht Milch heute kaum mehr für einen Lifestyle?

Das ist wohl eine der wesentlichen Fragen für und an all jene, die der Milchwirtschaft in Österreich ihre Zukunft sichern wollen. Damit eng verbunden scheint mir der (zumindest) schleichende Imageverlust der Milch in den letzten Jahren bis Jahrzehnten, wie er etwa auch im Erstarken der veganen Bewegung seinen Ausdruck findet. Den kritischen Fragen aus diesem Eck kann m.E. die österreichische Milchwirtschaft gar nicht genug Aufmerksamkeit schenken. Hier ist eine umfassende und um Transparenz bemühte Debatte hoch an der Zeit, will man den heimischen Markt in Zukunft verteidigen oder gar erweitern. 

 

Käse boomt, wird aber – mehr noch die Butter – in erheblichen Mengen importiert

Milch wird sicher auch deshalb weniger getrunken, weil sich das Thema Laktoseintoleranz seit Jahren in den Vordergund spielt. Das mag viele Konsumenten zusätzlich zum alternativen Verzehr von Käse, der in den meisten Verarbeitungsvarianten laktosefrei ist, bewogen haben. Insgesamt kann man ganz klar sagen, dass Käse boomt. Hier hat sich der Konsum etwa im Vergleich zu den 50igern des letzten Jahrhunderts verfünffacht. Noch 1985 lag der durchschnittliche österreichische pro Kopf Käsekonsum nur bei ca. einem Drittel der heutigen knapp 20 Kilo jährlich. Der Selbstversorgungsgrad liegt dabei seit Jahren bei ca. 95 %. Butter wird gar zu 25 % importiert. Wobei auffällt, dass dieses inländische „Butterversorgungsloch“ ganz klar im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt zu sehen ist. Bis in die späten 90er des letzten Jahrhunderts war Österreich quasi „butterautark“. Ausländische Billigkonkurrenz hat hier aber seither Fuß gefasst auf dem österreichischen Markt und offenbar die Produktionsüberlegungen der heimischen Molkereien beeinflusst. 

Ei Ei, wo du überall drin steckst

Wir essen unheimlich viel Eier und, da trau ich mich wetten, haben dabei oft gar keine Ahnung, dass wir es tun. Das berühmte Frühstücksei, Ham and Eggs, vielleicht noch der selbstgemachte Marmorkuchen am Sonntag: all das verbinden wir klarerweise mit Ei. Aber dass in praktisch jedem zweiten Lebensmittel im Supermarkt irgendwas vom Ei drin steckt – wer hätte das gedacht? Oder wusstest du, dass deine Germknödel ebensowenig ohne Ei auskommen wie ein großer Teil aller anderen Convenienceprodukte? Ähnlich wie Milch werden auch Eier in großen Mengen pulverisiert, indem man alles (freie) Wasser entzieht. Und genauso wie Milchpulver – ja noch bei weitem öfter – findet sich Volleipulver dann häufig unerkannt als Zutat im Lebensmittelregal. In Nudeln, Eis, den allermeisten Backwaren und Keksen etc. Und hier stößt die hervorragende österreichische Eikennzeichnungsverordnung an ihre Grenzen. In all diesen Produkten kann es beispielswiese sehr wohl sein, dass Eier aus Käfighaltung verarbeitet wurden. Wer sich hierüber genauer informieren will, dem sei diese Seite ans Herz gelegt

 

Das allgegenwärtige Ei - nicht nur hier, in jedem 2. verarbeiteten Produkt

 

Wie schaut’s mit dem Selbstversorgungsgrad bei Eiern aus?

Aufgrund des guten Images des inländisch produzierten Eis beim Konsumenten, das gewiss auf der lückenlosen Rückverfolgbarkeit und dem dahinter stehenden Bekenntnis zur Transparenz beruht, besteht eine stabile Nachfrage. Heimische Eierproduzenten reagieren darauf, weshalb der Selbstversorgungsgrad tendenziell im Steigen ist. Derzeit liegt er bei beachtlichen 83%.

 

Und wo geht’s hin?

Das europaweit Schule machende Erfolgsbeispiel Österreichs bei der Eierproduktion (Verbot der Käfighaltung seit 2009 – die EU hat dann nach gezogen) verbunden mit entsprechender direkt an den Konsumenten gerichteter „Aufklärungsarbeit“ trägt Früchte. Ein klares Bekenntnis zu Qualität und Transparenz wird vom Konsumenten honoriert. Selbstverständlich ist hier noch kein Idealzustand erreicht. Ausruhen auf Lorbeeren spielt es vermutlich nicht. Alles ist noch nicht „das Gelbe vom Ei“, wie ich an Hand der fehlenden Kennzeichnung von verarbeiteten Eiern aufzuzeigen versucht habe. Auch in der Milchwirtschaft ist bestimmt noch nicht alles (weißes) Gold, was glänzt. Insbesondere in Sachen lückenloser Transparenz und proaktivem Eingehen auf kritische Konsumentenstimmen rund um Tierwohl, Nachhaltigkeit etc. etc., stehen hier der Milchwirtschaft meiner Meinung nach bisher tendenziell vernachlässigte Aufgaben bevor. 

 

Wie das Verbot der Käfighaltung zeigt: Ein klares Bekenntnis zu Qualität und Transparenz wird vom Konsumenten honoriert.

 

Der „alarmierte“ und teils verunsicherte Konsument will dort abgeholt werden, wo er heute steht. Und jenen NGOs und Lobbying-Gruppen, die seit Jahren „Alarm“ schlagen und massiv gegen „die Milch“ mobil machen, sollte mit offenem Visier begegnet werden: geduldig und mit Argumenten fechtend, aber ohne jede Geringschätzung oder Überheblichkeit. Und zwar unbeschadet der Tatsache, dass das salonfähig gewordene Milchbashing seinerseits nicht immer sportlich fair bleibt. Sich von Seiten der Milchwirtschaft mit dem längst entzauberten Hinweis zu bequemen, dass in Österreich, wie in vielen anderen europäischen Ländern, die offiziellen staatlichen „Ernährungsempfehlungen“ Milch und Milchprodukte nach wie vor als wichtigen Baustein zur optimalen Ernährung einstufen, wird nicht ausreichen in Zukunft. Nur zu beklagen, dass der tatsächliche Milchkonsum mittlerweile weit unter dem von oben genannten Behörden empfohlenen liegt, bewirkt gar nichts. Staatliche Empfehlungen werden zusehends als veraltete, nicht objektive Quellen vom „multi-informierten“ Konsumenten wahrgenommen. Objektiv nachvollziehbare Transparenz, ein Öffnen hin zum fragenden, wissbegierigen Konsumenten: nur das rettet die Zukunft der österreichischen Milch!